Wegen China - Siemens muss in Digital-Sparte Abstriche machen

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- von Alexander Hübner

München (Reuters) - Die schwache Nachfrage und der Konkurrenzkampf in China machen Siemens in der Vorzeige-Sparte Digital Industries länger und mehr zu schaffen als gedacht.

Es werde bis weit ins zweite Halbjahr hinein dauern, bis die Kunden dort ihre Lager geräumt hätten und wieder mehr neu bestellten, beschrieb Vorstandschef Roland Busch am Donnerstag die Lage. In Branchen wie der Solarindustrie und bei Elektroautos gebe es Überkapazitäten. "Zudem kommen die wichtigen exportgetriebenen Märkte Europas, wie etwa Deutschland, nur sehr langsam auf Touren." Im zweiten Quartal 2023/24 (Januar bis März) hat der Münchner Technologiekonzern daher die Erwartungen verfehlt. Im Gesamtjahr werde der Umsatz eher um vier als um acht Prozent zulegen, sagte Finanzvorstand Ralf Thomas.

In der erfolgsverwöhnten Sparte Digital Industries, deren Kern die Fabrikautomatisierung ist, rechnet Siemens 2023/24 nun mit einem Umsatzrückgang um vier bis acht Prozent und deutlich schwächeren Margen. Im zweiten Quartal brachen die Umsätze und Aufträge bei Digital Industries um mehr als ein Zehntel ein, der operative Gewinn sogar um 41 Prozent. Es werde besser, aber nicht so schnell wie erhofft, sagte Busch. Auch lokale Billig-Konkurrenz mache Siemens in China zu schaffen. "Es gibt einige aggressive Anbieter." Der Markt für Automatisierungstechnik sei aber intakt. Die angekündigten US-Strafzölle gegen China, unter anderem bei Elektroautos, Chips und Medizinprodukten, seien "nicht wirklich hilfreich", merkte Finanzvorstand Thomas an.

Das weiter florierende Geschäft mit Bau- und Infrastrukturtechnik (Smart Infrastructure) soll das Minus bei Digital Industries in diesem Jahr weitgehend wettmachen. Der Umsatz soll dort um mindestens acht Prozent zulegen, die Marge dürfte mit 16 bis 17 Prozent fast an das reduzierte Niveau von Digital Industries (17 bis 21 Prozent) heranreichen. Im zweiten Quartal stieg der Auftragseingang der Sparte um zehn Prozent, Siemens-Produkte waren vor allem beim Bau von Rechenzentren gefragt. In der Zug-Sparte bremsen Siemens die Kunden aus: Dort gingen viele Projekte nicht so schnell voran wie geplant.

ERGEBNIS BRÖCKELT AB, AUFTRAGSEINGANG BRICHT EIN

Zum ersten Mal seit langem verfehlte der Konzern im zweiten Quartal die Umsatz- und Gewinnerwartungen der Analysten, obwohl Thomas bereits im März vor der Schwäche bei Digital Industries gewarnt hatte. Das drückte die Siemens-Aktie um mehr als fünf Prozent.

Das Ergebnis aus dem industriellen Geschäft sank zwischen Januar und März um zwei Prozent auf 2,51 Milliarden Euro. Die Finanzexperten hatten Siemens im Schnitt 2,68 Milliarden Euro zugetraut. Der Umsatz stagnierte auf vergleichbarer Basis bei 19,2 Milliarden Euro, der Auftragseingang brach um zwölf Prozent auf 20,5 Milliarden Euro ein. Unter dem Strich stand ein Gewinn von 2,20 (3,55) Milliarden Euro, wobei Siemens im vergangenen Jahr mit 1,6 Milliarden Euro von den steigenden Kursen der Siemens-Energy-Aktie profitiert hatte. Vorstandschef Busch sprach von einer "soliden Leistung".

Analysten bezweifeln inzwischen auch, dass Siemens 2023/24 den angepeilten Gewinn je Aktie von 10,40 bis 11,00 Euro - alle Siemens-Energy-Effekte ausgeklammert - schafft. Ihre Prognosen lagen zuletzt nur noch bei 10,35 Euro je Aktie.

GEPÄCKBÄNDER NICHT MEHR AUF DER LANGEN BANK

Bei der Trennung von Randgeschäften hat Siemens unterdessen den vorletzten und größten Schritt gemacht. Die Antriebssparte Innomotics wird für 3,5 Milliarden Euro an den US-Finanzinvestor KPS Capital Partners verkauft. Siemens zählt den Hersteller von großen Elektromotoren und Antriebssystemen mit Sitz in Nürnberg und rund 15.000 Beschäftigten schon seit längerem nicht mehr zum Kerngeschäft. Der Verkauf von "Portfolio Companies" hat Siemens - einschließlich Innomotics - fast acht Milliarden Euro in die Kasse gespült. Mehr als 3,5 Milliarden davon dürfte der Konzern davon als Gewinn verbuchen, rechnete Thomas vor.

Übrig ist nur noch das Geschäft mit Gepäckbändern und Fracht-Förderanlagen für Flughäfen. Auch hier streckt Siemens schon die Fühler nach einem Käufer aus. Der Finanzvorstand will die Sparte zügig verkaufen: "Lange Bänke gibt es bei uns nicht mehr."

Unterdessen schaut sich Vorstandschef Busch nach Zukäufen um. Software und intelligente Hardware habe Siemens im Visier, sowohl für Digital Industries als auch für Smart Infrastructure; bekräftigte er. Der durch "Chat GPT" ausgelöste Boom von Künstlicher Intelligenz (KI) lässt ihn dagegen kalt. Übernahmen im Bereich generativer KI-Modelle plane man nicht.

(Bericht von Alexander Hübner, redigiert von redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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