Börse Frankfurt-News: Im Niemandsland (Rohstoffe)

dpa-AFX · Uhr (aktualisiert: Uhr)

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 1. Juli 2015. Sowohl Abgaben als auch Neupositionierungen prägen den Handel mit Öl- und Gold-ETCs.

Weltpolitische Ereignisse wie die Terroranschläge in Tunesien und Frankreich oder die drohende Pleite Griechenlands scheinen Rohstoffanleger kalt zu lassen. "Viele Themen, die in früheren Zeiten Grund genug für steigende Edelmetall- oder Ölpreise waren, werden derzeit am Rohstoffmarkt ignoriert", meint Christoph Geyer. Etwa hat sich der Preis für das Nordseeöl Brent im Monatsvergleich von 64,89 auf 62,50 US-Dollar pro Barrel leicht verbilligt. WTI ist heute für 58,50 US-Dollar zu haben, Anfang Juni notierte die US-amerikanische Ölsorte bei 60,24 US-Dollar.

Ähnlich sieht es bei den Edelmetallen aus. Eine Feinunze Gold ist um 16 US-Dollar gefallen und derzeit für 1.174 US-Dollar zu haben. Deutlicher ist der Abschlag für Silber. Statt 16,75 kostet die Feinunze aktuell 15,67 US-Dollar.

Ausbruch für Gold möglich

Was nicht ist, kann nach Meinung des Charttechnikers der Commerzbank zumindest für Gold durchaus noch werden. Aus technischer Perspektive habe sich die Situation für das Edelmetall stabilisiert. Aus einem fallenden Dreieck sei inzwischen ein Abwärtskeil geworden, was die übergeordnete technische Lage verändere. "Auch wenn der Keil keine besonders große Abwärtsneigung hat, ist er doch als bullische Formation einzuordnen", erklärt Geyer. Aktuell gebe es noch keinen Hinweis auf einen Ausbruch, und auch die Indikatoren bewegten sich im neutralen Bereich. Dennoch könne sich diese Formation in den kommenden Woche nach oben auflösen.

Sollte der Keil allerdings entgegen den Erwartungen die Unterstützungen nach unten durchbrechen, wäre dies nach Auffassung Geyers ein sehr negatives Zeichen. Dann wäre der Weg für Gold nach unten frei bis zunächst 1.000 US-Dollar je Feinunze.

Goldmünzen gefragt

"Die Unsicherheit, wie es in Griechenland weitergeht, sollte zu einer soliden Nachfrage nach Gold beitragen und den Goldpreis unterstützen", meint auch Eugen Weinberg. Im Juni sei zumindest die europäische Nachfrage nach Goldmünzen deutlich gestiegen. Laut britischer Münzanstalt haben allein griechische Kunden im vergangenen Monat doppelt so viel gekauft wie im Durchschnitt der ersten fünf Monate diesen Jahres. "Online-Goldhändler berichten von der stärksten Nachfrage seit 2013 bzw. 2012", weiß der Rohstoffanalyst der Commerzbank. Auch die US-Münzanstalt spreche von einem deutlich stärkeren Absatz von Goldmünzen im Juni verglichen mit den Vormonaten.

Ole Hansen von der Saxo Bank rechnet hingegen auch in den kommenden Monaten eher mit einer Fortsetzung der Seitwärtsbewegung bei Gold. "Interessanterweise haben Investoren ihre Bestände an Gold-ETCs in der vergangenen Woche stark erhöht." Gleichzeit hielten taktische Händler wie etwa Hedgefonds Goldanteile weiterhin auf dem niedrigsten Niveau seit mehreren Jahren.

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste

Mit Blick auf die vergangene Woche verbucht ETF Securities Abflüsse in Höhe von 126,8 Millionen US-Dollar bei Produkten wie ETFS Physical Gold ( WKN A0N62G ), ETFS Gold ( WKN A0KRJZ ) und ETFS Leveraged Gold ( WKN A0V9YZ ). Auch aus Silber-ETCs, darunter der ETFS Physical Silver ( WKN A0N62F ), verabschiedeten sich Rohstoff-Investoren unterm Strich in der vergangenen Woche. Optimistische Anleger hingegen nutzten den niedrigen Silberpreis zum Einstieg. Insgesamt überwögen bei den Briten in diesem Jahr bei weitem die Zuflüsse in dieser Produktgattung. Die steigende Nachfrage der Industrie mache sich bemerkbar.

Hoffnungsschimmer für Platin

ETFS Physical Platinum ( WKN A1N62D ) steht bei den Kunden der ICF Bank hoch im Kurs, wie Ralf Bendig meldet. "Wir hatten sehr viele Käufe in dem Produkt", bemerkt der Händler, der das zweimalige Abprallen an der charttechnisch wichtigen Unterstützung bei 1.086 US-Dollar mitverantwortlich für die Nachfrage macht.

Ölpreis bleibt unter Druck

Nach dem größten Öl-Ausverkauf der jüngeren Geschichte haben sich die Preise der beiden Sorten Brent und WTI in den vergangenen zwei Monaten eingependelt, wie Ole Hansen resümiert. "Während sich andere Finanzmärkte um die Zukunft Griechenlands und den möglichen Folgen sorgen, hat sich auf den Ölmärkten eine unheimliche Stille ausgebreitet." Für den Analysten der Saxo Bank werden sich sowohl WTI als auch Brent weiterhin vorwiegend in einer Spanne zwischen 50 und 65 US-Dollar bzw. 55 und 70 US-Dollar bewegen. Abwärtsrisiken erkennt Hansen gegen Ende des dritten Quartals, sollte eine Übereinkunft mit dem Iran in den nächsten Wochen ausbleiben.

Anhaltendes Überangebot

Gegen steigende Ölpreise spricht nach Meinung von Weinberg die Ausweiterung der Ölproduktion durch die Opec. Reuters berichtet über einen Anstieg um 300 Tausend Barrel auf ein Dreijahreshoch von 31,6 Millionen Fässer pro Tag. Bloomberg spreche gar über eine Erhöhung um 744 Tausend Barrel pro Tag. "Damit produziert die Opec deutlich über dem eigenen Zielwert von täglich 30 Millionen Barrel." Insbesondere der Irak und Saudi-Arabien seien für die Angebotsausweitung verantwortlich. "Beide Länder steigerten ihre Produktion im Juni auf ein Rekordniveau."

Damit bleibe das Überangebot auf dem Ölmarkt beträchtlich. Für das zweite Halbjahr schätzt die Internationale Energieagentur den Bedarf an OPEC-Öl auf durchschnittlich 30,2 Millionen Barrel pro Tag. "Bei einem positiven Abschluss der Atomverhandlungen mit dem Iran "droht" zudem zusätzliches Öl aus dem Land", ergänzt Weinberg.

Handel mit Ölwerten ohne Tendenz

Von einem gemischten Handel mit WTI-Produkten spricht Bendig. "Wir hatten eine großen Anzahl an Käufen etwa des ETFS WTI Crude Oil ( WKN A0KRJX )." Zugleich gebe es einige sehr große Abgaben des selben ETCs.

ETF Securities verzeichnet in der vergangenen Woche erstmals seit zwölf Wochen per Saldo Zuflüsse bei WTI-ETCs (WKN A0KRJX, A0V9YX ) in Höhe von 5,6 Millionen US-Dollar.

Aus Brent-Werten ( WKN A1N49P ) hätten Anleger unterm Strich 0,3 Millionen US-Dollar abgezogen. "Wir glauben, dass die Ölpreise aufgrund der langsamer als erwarteten Drosselung auf der Angebotsseite kurzfristig sinken werden", beschreibt ETF Securities in ihrem wöchentlichen Bericht. Erst wenn Produzenten außerhalb den Vereinigten Staaten spürbare Kürzungen vornähmen, könne sich der Ölpreis nachhaltig erholen.

von Iris Merker, Deutsche Börse AG

© 1. Juli 2015

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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