Börsen sind verletzlicher geworden!

Stefan Riße · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Ja, wir haben in 2014 neue Rekordkurse erreicht und die 10.000-Punkte-Marke im DAX geknackt. Und dennoch richtig Spaß hat das Börsenjahr noch nicht gemacht und die Euphorie zum Jahreswechsel hat sich nicht entsprechend in den Kursen niedergeschlagen. Gerade einmal 100 Punkte notiert der DAX jetzt über dem Jahresschluss 2013. Es schleppt sich eher seitwärts. Das ist vor dem Hintergrund der Nachrichtenlage aber vielleicht gar nicht so schlecht. Seit Februar haben wir mit dem Konflikt in der Ukraine einen Unsicherheitsfaktor, den die Börsen enorm gut weggesteckt haben. Der Vormarsch der radikalen Islamisten im Irak kommt noch hinzu. Dennoch gab es immer nur Rückschläge, die dann auch wieder ausgebügelt wurden. In anderen Börsenphasen hätten mittlerweile auch Kursverluste von zehn Prozent und mehr zu Buche gestanden.

Die Papiere sind in den Händen der Hartgesottenen

Das Beispiel macht einmal mehr deutlich, dass Börsenprognosen die Antizipation im Quadrat sind. Denn es gilt nicht nur die Nachrichten vorauszuahnen, sondern auch wie das Publikum darauf reagieren wird. Letzteres ist viel wichtiger. Denn das erste Halbjahr hat gezeigt, dass für die kommende Börsentendenz weniger die Nachrichten entscheidend sind, sondern vielmehr die Frage, in welchen Händen sich die Aktien befinden. Derzeit liegen diese noch immer überwiegend in den Händen der Hartgesottenen. Lägen Sie in den Händen der Zittrigen, um im Sprachgebrauch von André Kostolanys zu bleiben, wären die Verluste auf die jüngste Entwicklung in der Ukraine sicher noch deutlicher ausgefallen. Die Hartgesottenen aber werden nicht nervös. Sie sind sich der Alternativlosigkeit der Aktie bewusst und sagen sich, dass durch die Krise in der Ukraine die Welt nicht untergehen wird.

Der Ukraine-Konflikt ist ernster als gedacht

Grundsätzlich ist die Einschätzung, dass die Auseinandersetzung in der Ukraine nicht zum Weltuntergang führt, nicht falsch. Gerade weil Russland eine Atommacht ist, sind Überlegungen bezüglich eines militärischen Eingreifens zunächst weiter abwegig. Damit ist eine starke Eskalation nicht zu befürchten. Man wird weiter auf Diplomatie und Sanktionen setzen. Das hat zwar negative Auswirkungen auf die dortige Wirtschaft und die Unternehmen, die nennenswertes Geschäft mit der Ukraine und Russland betreiben, die Auswirkungen bleiben aber beziffer- und überschaubar. Und dennoch wird dieser Konflikt unterschätzt. In meiner Onvista-Kolumne „Bitte kein zweites „Münchener Abkommen“! habe ich bereits am 7. März davor gewarnt, dass der zu nachgiebige Umgang mit Russland seinen Präsidenten Wladimir Putin nur motivieren wird, es nicht bei der Annexion der Krim zu belassen. Es ist daher davon auszugehen, dass dieser Konflikt weiter schwelt und sich zuspitzen wird, wenn dem Westen irgendwann droht, vollends seine Glaubwürdigkeit zu verlieren und er handeln muss.

Langsam wandern die Papiere zu den Zittrigen

Die recht deutlichen Kursverluste auf den Flugzeugabschuss gestern haben gezeigt, dass die Börsen schon etwas verletzlicher geworden sind. Auch wenn die Aktien noch überwiegend bei den Hartgesottenen liegen, ist davon auszugehen, dass seit dem Frühjahr doch einige langsam zu den Zittrigen herübergewandert sind. Bekanntlich haben viele Anleger die Rallye verpasst und da sie über Monate erkennen mussten, dass es  größere Rückschläge offenbar nicht gibt, werden sie dann schon die kleinen für Käufe genutzt haben. So sammeln sich Stück für Stück immer mehr Papiere in schwachen Händen an, bis der Markt dann irgendwann anfällig ist für Rückschläge. Denn die Zittrigen haben keine Nerven und werden bei Unsicherheit schnell auf den Verkaufsknopf drücken. Der Ukraine-Konflikt hat auf jeden Fall das Potenzial für starke Verunsicherung und damit für eine deutlichere Korrektur.

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