Die Macht falscher Gerüchte

Stefan Riße · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Jetzt hat eine Untersuchungskommission zur Finanzkrise ihre Archive geöffnet. Wer den jüngst in deutschen Kinos gelaufenen Film „The Big Short“ gesehen hat, der wurde nochmal daran erinnert, dass die US-Investmentbank Bear Stearns den Beginn der Bankenkrise in den USA markierte. Heute wird fast nur noch von Lehman Brothers gesprochen, weil erst die Pleite der Investmentbank zur Kernschmelze des Finanzsystems führte. Doch es war die Frage des CNBC-Journalisten David Faber an den damaligen Bear Stearns Chef Alan Schwartz, ob Goldman Sachs noch Geschäfte mit seiner Bank machen würde. Er antworte, dass weiterhin alle mit Bear Stearns Geschäfte machen würden.

Zweifel reichten aus für den Untergang

Doch die Frage hatte bereits ausgereicht, die Zweifel an der Solidität von Bear Stearns zu streuen. Hedgefonds hatten sich bereits auf die Aktie eingeschossen. Doch was war dran an dem Gerücht? Viele Hedgefonds wollten damals mit Bear Stearns nicht mehr arbeiten und ihre Geschäfte lieber mit Goldman abwickeln. So stieß Goldman an sein Risikolimit und musste seine Geschäfte einschränken. Es gab aber offenbar kein spezifisches Misstrauen gegenüber Bear Stearns. Am Ende musste Bear Stearns gerettet und übernommen werden und die die Dominokette hin zu Lehman war in Gang gesetzt.

War Kirch pleite oder nicht?

In Deutschland haben sich lange Zeit Gerichte mit der Frage beschäftigt, ob der damalige Chef der Deutschen Bank Rolf Breuer mit seiner Aussage bei Bloomberg TV, dass Kirch wohl kein Kredit mehr bekommen würde, letztlich dessen Pleite auslöste. Grundsätzlich wurde dies von den Richtern damals so gesehen. Es kam zu einem für die Deutsche Bank teuren Vergleich. Noch heute verantworten sich Breuer und Kollegen wegen möglichen Prozessbetruges in diesem Fall in München vor Gericht.

Manche Pleiten sind unausweichlich

Werden gesunde Unternehmen also manchmal nur aufgrund böser Gerüchte zerstört? Die Frage lässt sich nicht einfach beantworten. Lehman und Bear Stearns waren nicht gesund, sie waren überschuldet. Kirch genauso. Doch manchmal setzt erst das durch Gerüchte zerstörte Vertrauen den Untergang in Gang. Ist das operative Geschäft eines Unternehmens marode und produziert fortlaufend Verluste, dann ist die Pleite unabwendbar. Ist es aber nur eine vorübergehende Krise, dann kann entzogenes Vertrauen zur Pleite führen, die nicht hätte sein müssen, wenn es nicht entzogen worden wäre, weil das Unternehmen dann hätte gesunden können.

Geld und Börse sind am Ende abhängig vom Vertrauen, wie auch das Papiergeld, mit dem wir bezahlen. Regierungen, Notenbanken, Privatwirtschaft und Medien tragen daher große Verantwortung.

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