Die Sonne geht in Japan wieder auf

Stefan Riße · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Wer die Kursbewegung am japanischen Aktienmarkt und dem Yen gestern gesehen hat, der musste zunächst annehmen, dass die Bank of Japan (BoJ) ihr Quantitative Easing, also den Kauf von Anleihen und Aktien überraschend eingestellt und die Zinsen deutlich angehoben hat. Bis zu sieben Prozent ging es runter mit dem Nikkei. Und die Landeswährung erreichte ein neues 18-Monatshoch. Doch was war tatsächlich geschehen? Nichts, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn der Chef der BoJ, Haruhiko Kuroda, hat sich nur entschieden, zunächst keine weiteren geldpolitischen Lockerungen zu verkünden, sondern noch abzuwarten. 

Vollkommene Überreaktion

Die Kursreaktionen bei Nikkei und Yen, unter denen auch die anderen Börsen litten, war vollkommen übertrieben. Offenbar haben die Börsianer vergessen, dass Japans laufendes Quantitative Easing zunächst unbegrenzt weitergeführt wird. Es ist das aggressivste Programm dieser Art, das es je gab. Weder die Federal Reserve (FED) noch die Europäische Zentralbank (EZB) oder die Bank of England (BoE) haben in Relation zu ihrem Bruttoinlandsprodukt jemals so viele Wertpapiere pro Monat gekauft wie die BoJ. Als einzige kauft die japanische Notenbank zudem Aktien. 

Wirkt die Medizin nicht?

Die Kritiker dieser Geldpolitik dürften sich erneut bestätigt fühlen. Sie meinen, dass die Gelddruckaktionen nichts bringen und machen es daran fest, dass Wachstum und Inflation immer noch niedrig sind. Den Beweis hierfür liefert die Tatsache aber längst nicht. Denn niemand weiß, wie es ohne diese Politik seit der Finanzkrise gelaufen wäre. Per Saldo hat der Yen seit Antritt von Ministerpräsident Shinzo Abe, der für diese aggressive  Fiskal- und Geldpolitik im Wesentlichen verantwortlich ist, deutlich abgewertet und der Nikkei hat sich verdoppelt. Das hätte es ohne diesen Schwenk nie gegeben. 

Von Krise kann keine Rede sein

Zu rechtfertigen wäre die Kursreaktion eigentlich nur gewesen, wenn die japanische Wirtschaft schon wieder in Richtung Deflation und Rezession unterwegs und die Geldpolitik der letzte Strohhalm wäre, an den man sich klammern könnte. Aber das ist mit Nichten der Fall. Ebenfalls gestern kamen ganz ermutigende Zahlen aus Japan, insbesondere zum Immobilienmarkt. Natürlich belasten der wieder stärkere Yen und der Wachstumsrückgang im wichtigsten Exportmarkt China. Dennoch stehen die japanischen Unternehmen in Punkto Bewertung und Gewinnwachstum besser da als die europäischen und schon allemal als die amerikanischen. 

Yen-Stärke wird nur temporär sein

Eigentlich sollte der Aktienmarkt in Tokio deshalb einer der besten in diesem Jahr sein. Diese Logik wird sich auch irgendwann durchsetzen. Beim Yen ist es nicht anders. Die aktuelle Stärke ist fundamental nicht begründet. Denn selbst wenn die US-Notenbank die Zinsen nicht weiter erhöhen wird, bleibt der Yen mit dem Negativ-Zins und der stetigen Geldvermehrung unattraktiver als der Greenback. Was derzeit die Tendenz bestimmt, ist reine Markttechnik. Diejenigen, die short im Yen sind, und das sind viele, lösen unter dem Druck der sich ausweitenden Verluste ihre Carrytrades auf. Das lässt den Yen weiter steigen und bringt dann die nächsten unter Druck. Das geht so lange, bis die Devisenspekulanten rausgequetscht wurden. Anschließend setzt sich wieder das Logische durch. Spätestens dann dürfte auch für den Nikkei die Sonne wieder aufgehen.

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