Die verstörten Anleger

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo Leute! Wie geht’s denn so, trotz allem noch gut drauf? Am Wochenende ist mir wieder mal klar gemacht worden, dass man sich auch über sinkende Preise total ärgern kann (im Gegensatz zu den Lockangeboten der Möbel- und Autohäuser). Damit meine ich meine Mitmenschen und den Aktienmarkt. Der Rekord-Fehlstart vom Dax (keiner hatte das so erwartet) treibt manchen Privatanleger fast zur Verzweiflung. Am Samstag erreichte mich der Brief eines mittelalten Geschäftsmanns aus dem Hessischen, der mir lang und breit sein Unverständnis der Kursschwäche beschreibt, Analysten und Journalisten beschimpft, zum Schluss seine Ratlosigkeit zugibt. Er könne sich selbst „in den Arsch beißen“, weil er im Herbst wieder eingestiegen sei. Und dann hat er mir noch eine Liste mit Fragen beigelegt.

Am Sonntag spricht mich ein Nachbar (Software-Experte) auf der Straße an, hämisch grinsend, weil er meinem Optimismus nie getraut hat: „Und jetzt? Ganz schön auf die Schnauze gefallen, oder? Das wird noch schlimmer, passen Sie mal auf!“ Er selbst will erst dann wieder in Aktien investieren, wenn sie auf dem Tief angekommen sind (mit seinem Daumen winkt er nach unten). Dann gibt er immerhin zu, absolut unsicher zu sein, was er momentan mit seiner Kohle machen soll. Denn es drängt sich ja nix auf.

Gar nicht so leicht, darauf richtig zu reagieren. So unterschiedlich die beiden ticken - jeder glaubt, viel Ahnung von der Börse zu haben. Der Hesse gibt aber zu, nicht mit Stop-Loss zu arbeiten, und mein Nachbar träumt davon, die Tiefstände zu erwischen. Die wichtigste Antwort in jedem Fall muss sein, dass kein Mensch wissen kann, wohin der Dax morgen und übermorgen marschiert. Klar, darauf kannst du keine Strategie aufbauen. Und beiden schreibe/sage ich dann, die wichtigsten Trendfaktoren seien doch ziemlich unverändert: Trotz China wird die Weltwirtschaft 2016 langsam weiter wachsen, die Geldpolitik von Draghi, aber auch von Yellen aktienfreundlich bleiben, kein Inflation oder Deflation drohen. Und nix zu sehen von starker Konkurrenz für die Aktienanlage. Okay, die Politik bleibt völlig unberechenbar. Aber auch das ist nicht neu, hatten wir 2015 schon. Die Krisen und Kriege sind Unsicherheitsfaktoren, sind gegenwärtig jedoch kein überraschendes Element, das einen Absturz von Dax & Co. wie erlebt rechtfertigt.

Ich gebe ja zu: Eine voll befriedigende Beurteilung der Schock-Woche habe auch ich nicht. Und selbst so ein alter Fuchs wird nachdenklich, auch deshalb, weil die Tiefkurse nachbörslich am späten Freitagabend markiert worden sind. Ein schlechtes Omen für die neue Woche? Die ersten heutigen Kurse lassen aufatmen. Dem Hessen habe ich übrigens Gelassenheit empfohlen, er soll nicht so kurzfristig denken. Und meinem Nachbarn habe ich zugerufen, er sollte vielleicht doch jetzt schon zuschlagen, statt auf noch tiefere Tiefs zu warten.

Post an den Börsenfuchs: boersenfuchs@onvista.de

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