Endlich fundamentales Fleisch am bislang nackten Knochen der Liquiditätshausse

Robert Halver · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Vom Krisengeschrei um die Ukraine und um die Schuldenkrise in Griechenland fast unbemerkt, geht es dem deutschen Aktienmarkt fundamental immer besser. Denn Auferstanden aus Ruinen präsentieren sich die Konjunktur- und Unternehmensdaten, also das eigentliche Lebenselixier für Aktien, zunehmend stabiler.

Ifo-Daten lügen nicht

Unmissverständlich zeigt dies der ifo Geschäftsklimaindex, einer der treffsichersten Wirtschaftsindikatoren der Welt. Er spiegelt ein rundes Bild unserer industriellen Volkswirtschaft wider, auch weil er mehrheitlich mittelständische Unternehmen befragt. Deshalb muss man auch der im November 2014 einsetzenden Trendwende - er ist also zum vierten Mal in Folge angestiegen - eine so hohe Bedeutung beimessen. Denn im Vergleich zu den großkopferten Unternehmen, die global viel stärker diversifiziert sind und sich insofern an der stabilen Weltkonjunktur laben können, hat der Mittelstand weniger Chancen, der vergleichsweise schwächeren Eurozone den Rücken zu kehren. Erschwerend kommt ohnehin das starke Engagement mittelständischer Unternehmen in Russland hinzu. Also klares Urteil: Es geht wieder aufwärts mit der deutschen Konjunktur.

Natürlich kommen jetzt wieder die  Chefbedenkenträger, die meinen, dass die Erwartungen für die ifo-Daten im Februar doch höher gewesen sind und somit von den tatsächlichen Zahlen verfehlt wurden. Aber halt, zum Zeitpunkt der Befragung musste man sich größte Sorgen um einen Krieg vor der europäischen Haustür machen. Jetzt haben wir so etwas wie eine stabile Seitenlage. Außerdem drohte der GREXIT - dem man als homo oeconomicus zwar durchaus offen gegenüberstehen sollte - aber der zumindest vorübergehend für wirtschafts- und finanzpolitische Irritationen in der Eurozone gesorgt hätte. Jetzt gibt es zumindest einen Zeitgewinn bis Sommer.

Für mich hat der ifo im Februar Luft geholt, um sich anschließend wieder nach oben zu bewegen.

   
Wenn Mario Draghi Konjunkturpolitik für Deutschland betreibt

Natürlich hat auch hier Mario Draghi seine Finger im Spiel. Immerhin leben wir in einer notenbankgesteuerten Welt. Der EZB gebührt auf jeden Fall ein herzliches konjunkturelles Dankeschön. Denn die Notenbankzinsen sind für die sich stabilisierende deutsche Industrie viel zu niedrig. Hier kann man von massiver Überdüngung sprechen.

Und noch ein Dankeschön: Mit seinen Aufkäufen drückt unser Mario auch die Renditen von Staatsanleihen der Eurozone im Vergleich zu denen der USA. Das macht den Euro unattraktiver, lässt ihn an Wert verlieren und leitet der deutschen Exportindustrie bereits viel Wasser auf ihre Mühlen.

 

Und selbst unsere deutschen Konsumenten werden von der EZB zum Geldausgeben animiert, ähnlich wie Kinder durch die Süßigkeiten an der Kasse im Supermarkt. Früher noch nagelte der deutsche Michel auch nur beim kleinsten Konflikt-chen irgendwo in der großen Welt sein Portemonnaie zu. Dann wurde gespart, gespart und noch einmal gespart. Aber heute wird das Geld trotz Krisen so schnell ausgegeben, dass man meinen könnte, es würde morgen wertlos. Ja, man gönnt sich was, auch gerne was Großes.

Denn Mario Draghi hat uns Deutsche bestohlen: Ähnlich wie der Fuchs die Gans hat er uns die Zinsen geklaut. Und nicht nur er, nein auch seine Notenbanker-Gang hat ganze Arbeit geleistet. Weltweit sind aus Leitzinsen Leidzinsen für uns Sparer geworden. Und dieser Zins- und Renditeverlust vermehrt sich wie derzeit der Grippevirus. Eine ganze Anlageklasse haben uns die Dame bei der Fed - die ist auch kein wirklicher Zinswendehals - und die vielen anderen Herren Zentralbanker geklaut: Egal, ob Staatsanleihen urbi bei uns oder orbi sonst wo auf der Welt, ob Industrieanleihen, ob Bankanleihen, alle Zinsen werden immer mehr geklaut.

Es ist nicht überliefert, ob der Fuchs die Gans wieder hergegeben hat, aber ich glaube, die Notenbanker werden uns Sparern die früheren hohen Zinsen nicht mehr zurückgeben. Sparen können wir uns auch den Weltspartag. Er ist zum Volkstrauertag geworden.

Immerhin, da es sich nicht mehr lohnt, bis Oberkante Unterlippe zu sparen, kommt das nicht mehr gesparte bzw. entsparte Geld jetzt der Wirtschaft zugute. Neben der Industrie ist damit auch der Konsum - dargestellt z.B. in einer deutlich verbesserten Anschaffungsneigung  - einer der Antriebsmotoren der deutschen Konjunktur.

Aktien bekommen etwas, was sie lange nicht hatten: Substanz

Was heißt das für die Aktienmärkte? Die laufen jetzt nicht mehr nur auf dem einen Bein der Liquiditätshausse, nein es kommt konjunkturelles Fleisch an den abgenagten Knochen der EZB. Damit bekommen vor allem deutsche Aktien Substanz, also dass, was viele dem Aktienmarkt bislang abgesprochen haben.

Also, liebe Anlegerinnen und Anleger zeigen Sie dem Zinsvermögen die kalte Schulter, erwärmen Sie sich für Aktien, insbesondere für die mit viel Substanz. Und deutsche Industrieperlen haben Substanz. Sie haben begonnen, den Gesamtmarkt outzuperformen wie die relative Stärke des konjunktursensitiven MDAX gegenüber dem sicher nicht schlecht laufenden DAX zeigt.

Daneben heißt Substanz aber auch, dividendenstarke deutsche und europäische Titel im Depot zu haben. Sie liegen deutlich vor der Verzinsung deutscher Staatsanleihen.

Der Befürchtung zu hoher Aktienkurse kann man mit regelmäßigen Aktienansparplänen begegnen.  

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG:
http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128

Neueste exklusive Artikel