Flossbach: Brexit ist Kindergeburtstag verglichen mit wahren Problemen

dpa-AFX · Uhr (aktualisiert: Uhr)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Vermögensverwalter Bert Flossbach hält die Sorgen vor den Folgen eines Ausscheidens Großbritanniens aus der Europäischen Union für übertrieben. Der Brexit, wenn er denn komme, sei ein "Mini-Problem in Europa", sagte er im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Die wahren Probleme lägen woanders. Flossbach von Storch (FvS), 1998 gegründet, ist mit einem aktuellen Anlagevermögen von 24 Milliarden Euro Deutschlands größte unabhängige Vermögensverwaltung.

Frage: Welchen Ausgang des Referendums erwarten Sie?

Antwort: Das Spannende diesmal ist zwar, dass es eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit für beide Ereignisse gibt, aber ansonsten ist die Brexit-Geschichte für mich nur wieder ein hervorragendes Beispiel, mit welch unglaublicher Energie man sich - vom Stammtisch bis zum Investmentgremium - auf ein Thema fokussiert und trotzdem nichts als Konjunktiv produziert.

Frage: Sie zerbrechen sich also nicht den Kopf darüber?

Antwort: In der Regel haben politische Themen an der Börse eine kurze Halbwertzeit. Heute dreht sich alles um den Brexit, im vergangenen Jahr wurde das Thema Griechenland wie eine Sau durchs Dorf getrieben, und in drei Monaten stürzen sich dann alle wie die Wilden auf die US-Präsidentschaftswahlen.

Frage: Der Brexit ist für Sie nur eines von vielen Themen, die in Bälde wieder recht sang- und klanglos von der Tagesordnung verschwinden werden?

Antwort: Dass ein möglicher Brexit solche Wellen schlägt, zeigt vor allem, wie zerbrechlich die Europäische Union und wie fragil die eng verzahnte Welt mittlerweile ist. Aber der Brexit ist kein Katastrophenszenario für mich. Turbulenzen gehören dazu, und in diesem Jahr gibt es eben einige. Das hat schon im Januar/Februar angefangen. Klar, wenn der Brexit käme, hätte wahrscheinlich ein Haufen Leute keine Lust mehr auf London, und die Börsen dürften kurzzeitig unter Druck geraten. Aber wären die Handelsbeziehungen zwischen EU und Großbritannien dann beendet? Nein, sie würden nur neu geregelt.

Frage: Was wäre denn ein Thema, über das Anleger ernsthaft beunruhigt sein müssten?

Antwort: Die langfristigen Folgen der ultralockeren Geldpolitik, das schwindende Vertrauen in unser Geldsystem - das hat eine ganz andere Tragweite. Eng verbunden damit ist das nach wie vor ungelöste Problem der horrenden Staatsverschuldung in vielen Ländern. Dass das langfristig nicht gut gehen kann, bezweifelt inzwischen niemand mehr. Selbst die Politik hat das erkannt. Der Euro wird in 20 Jahren nicht mehr sein, was er heute ist. Am Ende des Tages kommen Dinge auf uns zu, gegen die die Brexit-Geschichte ein Kindergeburtstag ist. Für Investoren bedeutet das, ihr Portfolio möglichst robust aufzustellen, mit Fokus auf liquiden Sachwerten, sich dabei aber nicht vom täglichen Börsenlärm verrückt machen zu lassen./ck/das/stb


Gespräch: Claudia Müller, dpa-AFX


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