Fusionitis die Nächste

Stefan Riße · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Übernahme von WhatsApp durch Facebook ist fraglos die Unternehmensgeschichte der Woche. Die Transaktion ragt heraus, ist aber nur Teil eines wiederbelebten Trends, der in den USA bereits auf Hochtouren läuft und nun auch in Deutschland anspringen soll. So war im Handelsblatt in dieser Woche zu lesen, dass die auf Übernahmen – oder in deren Sprache ausgedrückt - auf Mergers & Acquisitions (M&A) spezialisierten Investmentbanker auf Wochen ausgebucht sind. Wer einen Termin haben will, muss sechs Wochen warten.

Übernahmen vernichten Werte

Diese Nachricht ist kein Grund zum Jubeln. Natürlich werden die Aktienkurse durch die Übernahmen befeuert, insbesondere die des Unternehmens, das übernommen wird und auch das Aktienangebot insgesamt verringert sich. Das Unternehmen hingegen, das übernimmt, verliert zumeist im Kurs, wie es jetzt auch bei Facebook zu beobachten war. Die Börse reagiert hier statistisch gesehen durchaus logisch, denn die überwiegende Mehrheit von Fusionen und Übernahmen schafft keine, sondern vernichtet nachweislich Werte. Was auf dem Reißbrett alles so toll aussieht und gut klingt, scheitert häufig im Kleinklein. Fast jede Fusion und Übernahme soll Effizienzsteigerungen bringen. Mit anderen Worten, es wird weniger Personal gebraucht. Da die Mitarbeiter dies wissen, beginnt nach solchen Zusammenschlüssen zumeist der Kampf der Protagonisten in den beiden verschiedenen Unternehmen um den Arbeitsplatz. Die Synergieeffekte bleiben gänzlich aus. Im Gegenteil, aufgrund der allgemeinen Unsicherheit gibt es vielfach Stillstand, weil niemand so richtig weiß, wie es weitergeht.

Liquidität ausschütten statt verplämpern

Natürlich gibt es und gab es in der Vergangenheit auch immer wieder Übernahmen, die funktioniert haben. General Electric oder Nestlé wachsen seit Jahren, indem sie andere Unternehmen aufkaufen. Hier gibt es ganz offenkundig ein Management, das sein Fach beherrscht. Häufig entsteht die Idee einer Übernahme oder Fusion aber nicht aufgrund nüchterner Überlegungen auf der Suche nach sinnvollen Wachstumsmöglichkeiten über die organischen hinaus. Ganz oft ist es der schiere Größenwahn der Manager. Weil Bank A Bank C im europäischen Ausland übernommen hat, will der Vorstandschef von Bank B natürlich nicht hintenanstehen, und übernimmt Bank D ebenfalls mit Sitz im Ausland. Die Prüfung der Bücher erfolgt dann eher schlampig, weil ja die Gefahr besteht, dass sonst Bank E Bank B zuvor kommt. Ich halte es da mit Investorenlegende Warren Buffett. Wenn Firmenchefs keine wirklich renditeträchtigen Investitionsmöglichkeiten finden, sollten sie das Geld lieber an die Aktionäre ausschütten, anstatt es für sinnlose Übernahmen zu verplämpern und womöglich noch Schulden anzuhäufen.

Wenn die Dummen fleißig werden

Eine sehr unrühmliche Rolle spielen die Investmentbanker in diesem ganzen Wertvernichtungskarussell. Das geht bei der Honorierung los. Sie verdienen vor allem dann, wenn eine Übernahme zustande kommt. Kommt sie es nicht, sind die Gebühren viel geringer. Damit sind sie keine objektiven Berater mehr. Sie tragen zwar Kennzahlen der Branche und der Unternehmen zusammen und bereiten das alles in 7-Tage-Wochen an 16-Stunden-Tagen auf bunten Power-Point-Folien auf. Den Kern des Geschäftes kennen sie dennoch nicht, weil sie branchenfremd sind. Die sinnlose Fusion von Daimler und Chrysler ist das schillerndste Beispiel versagender Berater. Investmentbanker zeichnen sich vor allem durch eines aus: Die Bereitschaft bis zum Umfallen zu arbeiten ohne Expertise zu besitzen. Mir fällt dazu nur der Ausspruch des französischen Dramatikers Molière ein: „Ein gelehrter Dummkopf ist ein größerer Dummkopf als ein unwissender Dummkopf.“

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