Geldanlage in einer Welt, die in Schulden ertrinkt

Robert Halver · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Das frühere Horror-Thema Schuldenkrise findet sich heutzutage in öffentlichen Schlagzeilen kaum noch. Aber ist es denn tatsächlich verschwunden? Nein, genauso wenig wie Unkraut von Streuobstwiesen. Die Staatsverschuldung wächst wie Viren in der Erkältungszeit. In Europa sind es nicht nur die üblichen Verdächtigen Griechenland oder Portugal, die hoffnungslos überschuldet sind. Längst sind auch Frankreich, Italien und Spanien bis Oberkante Unterlippe verschuldet. Amerikas Staatsverschuldung ist mit aktuell nahezu 20 Billionen besonders atemberaubend. Barack Obama wird als der bisher dynamischste aller Schuldenmacher in die US-Finanzgeschichte eingehen. Er wird die seit Gründung Amerikas 1776 bis zu seinem Amtsantritt im Januar 2009 aufgelaufene Staatsverschuldung am Ende seiner achtjährigen Dienstzeit Anfang 2017 verdoppelt haben. Während Onkel Dagobert Duck im Comic in Golddukaten badet, schwimmt Uncle Sam in Amerika in Schuldpapieren.
Japan steht mit dem 2,5-fachen seiner Wirtschaftsleistung so hoch in der Kreide, dass dagegen Griechenland so etwas wie der Hort der Stabilität ist. Deutschland ist im Vergleich zwar bonitätsstabil wie Granit. Dennoch können selbst wir das Maastricht-Stabilitätskriterium einer auf 60 Prozent zur Wirtschaftsleistung begrenzten Staatsverschuldung nicht mehr erfüllen. Bei strikter Befolgung des Europäischen Stabilitätspakts - zugegebenermaßen ist dieser längst in die ewigen Finanz-Jagdgründe eingegangen - könnte Deutschland der Eurozone heutzutage gar nicht mehr beitreten.

Die Zins-Baisse nährt die Kredit-Hausse

Nur mit dem Blick auf staatliche Verschuldungen lässt sich das Ausmaß der globalen Verschuldungsorgie allerdings nur unvollständig erfassen. Auch die private Verschuldung ist ein globales Monster, das in den Kunstdünger gefallen ist. In Amerika beträgt die außer-staatliche Verschuldung bereits annähernd 50 Billionen US-Dollar. US-Konsumenten verschulden sich angesichts der günstigen Zinsen schon wieder mit der früher so typischen Wollust. Und wegen money for nothing finanziert auch Corporate America immer mehr Übernahmen bzw. kauft Aktien zurück und ersetzt damit teure Dividendenrenditen durch billige Kreditzinsen. Amerikanische Unternehmen sind heute so hoch verschuldet wie selten zuvor. Die günstigen Zinsen wirken wie Backhefe auf den Verschuldungs-Kuchen. Ohne Schulden ist der amerikanische Traum nicht mehr darstellbar.
Gesamt-Amerika ist zurzeit mit dem 3,5-fachen der US-Wirtschaftsleistung verschuldet. Besserung ist nicht in Sicht: Egal, ob Kreditkartenschulden, Studentendarlehen oder Baufinanzierungen, die US-Schulden wachsen wie Pilze im Wald.
Und die ach so robusten Emerging Markets? Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) warnt, dass sich China in einer ausgewachsenen Kreditblase befindet. Das private Kreditwachstum liege deutlich über den bereits unhaltbaren Zuständen von vor der Asienkrise 1997 und vor der US-Immobilienkrise 2008. Zur Aufrechterhaltung der Illusion der stabilitätspolitischen Tugendhaftigkeit schweigt des chinesischen Statistikers Höflichkeit in puncto eines konkreten Schuldenstands.
Alles zusammen genommen liegt die globale Verschuldung beim Dreifachen des Welt-Bruttoinlandsprodukts. Somit ist der irdische Schuldenstand nicht annähernd durch weltwirtschaftliche Vermögensmasse als Sicherheit abgedeckt. Seit der Immobilienkrise 2008 hat die Weltverschuldung um ca. 60 Billionen Dollar auf jetzt 230 Billionen Dollar zugenommen. Dieser Zuwachs innerhalb von noch nicht einmal 10 Jahren entspricht dem ca. 18-fachen der deutschen Wirtschaftsleistung von 2015. Wird die Finanzwelt vom Schulden-Saulus zum Tugend-Paulus? Eher glaube ich an den Weihnachtsmann oder den Klapperstorch. Beide US-Präsidentschaftskandidaten machen mit Investitionsvorhaben Wahlkampf, die nur mit neuen Schulden finanzierbar sind. So wie die alten Präsidenten sungen, so zwitschern eben auch die jungen. Wegen der wirtschaftlichen Schwäche Europas, die museumshaften Industriestrukturen und politischen Zentrifugalkräften geschuldet ist, wird staatliche Neuverschuldung als Kleber zum künstlichen Zusammenhalt Europas eingesetzt. Nicht zuletzt setzt China auf die konjunkturelle Bindekraft der Verschuldung. Im Falle eines Falles klebt die Schuldenpolitik wirklich alles.

Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld?

Aufgrund der exorbitanten Staatsverschuldung der Welt bei gleichzeitig verhaltener Konjunkturstärke und staatlicher Einnahmeschwäche sind ein souveräner Schuldendienst durch den Staat, geschweige denn Kreditrückzahlungen Illusionen, die selbst ein David Copperfield nicht mehr aufrechterhalten könnte. Würde man Staaten diese eigentlich zu einem ordentlichen Kreditvertrag gehörende Gegenleistung dennoch zumuten , müsste der Staat umfassend sparen. Man stelle sich vor, es würden großflächig Schulen oder Krankenhäuser geschlossen oder Sozialleistungen und Renten gekürzt. Auf nachfolgende soziale Unruhen hat keine Regierung Lust. Wer finanziert also den Kleber für die schuldengestützte weltwirtschaftliche Stabilität? Und wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo die Geldpolitik daher. Die Notenbanken kaufen Schulden der Staaten und Unternehmen auf und drücken damit gleichzeitig die Kreditzinsen, damit die Finanzminister und -chefs auch morgen noch kräftig zubeißen, neue Schulden machen können. So sind in der Eurozone bereits über eine Billion Anleihepapiere auf Marios Resterampe gelandet.
Insgesamt lassen sich die internationalen Notenbanken als heilige Bruder- und Schwesternschaft des billigen und üppigen Geldes nicht lumpen. Dieses Wohlfahrtsamt zur Glücklichmachung von Schuldnern kauft für ca. 200 Milliarden US-Dollar Anleihen auf, monatlich!

Geld- und Fiskalpolitik sind eine Schicksalsgemeinschaft

Aus dieser zunächst freiwilligen Kauflust der Zentralbanken ist längst ein Kaufzwang geworden. Denn private und institutionelle Anleger werden Staaten und mittlerweile auch Unternehmen nur widerwillig Schuldenpapiere mit Negativrendite abnehmen. So steht China ausländischen Schuldpapieren immer kritischer gegenüber. China will Vermögensverwaltung, nicht dessen Vernichtung. Und der Kaufzwang der Geldpolitik wird noch größer, wenn durch die sintflutartige Liquiditätsversorgung die Inflation ansteigen sollte. Normalerweise würden - wie früher marktwirtschaftlich üblich - die höheren Preissteigerungsraten zum Ausgleich auf die Anleiherenditen drauf geschlagen. Dann wäre Staatsverschuldung für die Finanzminister aber nicht mehr bezahlbar. Trotz Inflation muss es insofern bei Diät-Renditen bleiben. Dann allerdings müssten Anleger schon Masochisten sein, wenn sie bei Anleihen mit noch geringeren Realrenditen zugriffen. Diese allgemeine Kaufunlust wird die internationale Geldpolitik gemäß dem Motto Patronin voller Güte, unsere Finanzwelt alle Zeit behüte mit Fortsetzung eines Niedrigzinsumfelds und sintflutartiger Liquiditätsversorgung ausgleichen müssen. Die Empfindlichkeiten unserer Schuldenwelt erlauben es nicht mehr, dass Notenbanken ihre eigentliche Aufgabe - die Inflationsbekämpfung - wahrnehmen können. Stellen Sie sich vor, Zahnärzte würden Karies und Parodontose nicht mehr behandeln, weil die Patienten das schmerzhafte Bohren kategorisch ablehnen. Die Notenbanken haben den point of no return erreicht. Sie sind gezwungen, an den Kreditmärkten nachhaltig planwirtschaftlich für die Happy Hour der Schuldner zu sorgen, weil ansonsten die Schulden-Party mit dem dicksten Finanz-Kater aller Zeiten enden würde. Eine zins- und liquiditätspolitische Schubumkehr machte die Notenbanken zu großen Abrissbirnen an den Anleihemärkten. Es käme zu einem weltweiten Anleihe-Crash mit allen realwirtschaftlichen Folgeschäden. Ehe eine Rückkehr zur alten geldpolitischen Normalität stattfindet, wird der neue Berliner Flughafen eröffnet.

Wann gibts mal wieder richtig Zinsen?

Vor diesem Hintergrund gar nicht mehr! Und je mehr den Anlegern die zinslosen Risiken bewusst werden, umso mehr müssen sie auf Sachkapital umsatteln. Denn nach wie vor sparen annähernd 80 Prozent der Deutschen ihre Geldvermögen in Zinspapieren an. Außer einem Plastiksparschwein Made in China werden sie am nächsten Weltspartag nichts mit nach Hause nehmen. Als sachkapitalistische Helden sollten Gold und Silber nicht ver-, sondern gekauft werden. Einen dramatischen Preisanstieg werden die Notenbanken zwar zur Verhinderung einer Ersatzwährung zu Euro, US-Dollar oder Yen verhindern. Damit sind Bullenmärkte wie 1970 bis 1974, 1976 bis 1980 und 2001 bis 2011 vorerst leider illusorisch. Jedoch profitieren Edelmetalle in unserer vom geldpolitischen Durchlauferhitzer finanzierten Schuldenwelt von ihrer stabilen Werterhaltungsfunktion. Physisches Gold mag zwar keine Jungen in Form von Rendite bekommen. Aber nun leidet auch die Alternativanlageklasse Zinsvermögen unter Nachwuchssorgen. Im Übrigen behalten Gold und Silber selbst im Extremfall ihre Knackfrische. Dagegen wurden Staatsschulden früher oder später - immer, ohne Ausnahme - zu Fallobst, entweder durch Hyperinflation oder durch Ausbuchung z.B. im Rahmen von Währungsreformen wie 1948 in Deutschland. An dieser Stelle erwähne ich erneut, dass fast 80 Prozent der Bundesbürger in Zinsvermögen ansparen. Was für ein theoretisches Verlustpotenzial.
Der Wegfall der größten Alternativanlageklasse Zinsvermögen macht Aktien zu einem Schuldenkrisen-Gewinner. Zunächst haben Titel wie z.B. Daimler oder Siemens zwei Weltkriege überlebt. Qualität ist durch nichts kaputtzukriegen. Als Sachkapitalwerte sind Aktien nicht zuletzt Inflationsgewinner. Bei Preissteigerungen, die geldpolitisch nicht mehr behandelt werden können, werden sie angehoben wie Schiffe bei der Flut. Der guten alten Zinszeit und stabilen Notenbanken wie der deutschen Notenbank kann man nachtrauern. Auch ich vermisse sie. Doch sollten Anleger ihr Anlageverhalten lieber frei am früheren Schlager der Spider Murphy Gang Skandal im Sperrbezirk orientieren: Und wenn dich dein Zins nicht liebt, wie gut, dass es Gold und Aktien gibt! Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128

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