Griechischer Schuldenschnitt auch ohne Grexit möglich

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Für Finanzminister Schäuble ist die Sache klar: Ein Schuldenschnitt für Athen sei rechtlich nicht möglich. Das ginge nur mit einem Grexit. Der Europäische Gerichtshof sieht das jedoch anders.

Die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) sind sich einig: Griechenland braucht eine Schuldenerleichterung. Diese Position sei unbestritten, behauptete EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag und ergänzte: „Niemand hat das jemals infrage gestellt.“ IWF-Chefin Christine Lagarde schob am Freitag nach, dass die die beschlossenen Hilfsmaßnahmen für Griechenland ohne eine Minderung der Schuldenlast nicht ausreichend seien.

In der Bundesregierung wird die Situation offenbar ähnlich bewertet. Sehr viele Ökonomen zweifelten daran, dass in Griechenland ohne einen wirklichen Schuldenschnitt die Probleme gelöst werden könnten, sagte Finanzminister Wolfang Schäuble am Donnerstag. Zugleich jedoch lehnte er einen Schuldenschnitt erneut ab und begründete dies mit der sogenannten Nichtbeistandsklausel.

Schäuble beruft sich auf europäische Verträge

„Wer die europäischen Verträge kennt, weiß, dass ein Schuldenschnitt unter das Bailout-Verbot fällt“, hatte Schäuble bereits Anfang Juli gesagt. Er bezog sich dabei auf Artikel 125 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Dieser verbietet es der EU und den Mitgliedstaaten, Schuldenlasten eines anderen Mitgliedstaates zu schultern.

Ein wirklicher Schuldenschnitt sei mit einer Mitgliedschaft des Landes im Euro daher unvereinbar, so Schäuble. Um Schulden erlassen zu bekommen, müsste das Land zeitweilig die Währungszone verlassen. “Aber es wäre vielleicht für Griechenland der bessere Weg”, verteidigte er seine Idee eines Grexit auf Zeit. Allerdings: Die Rechtslage ist nicht so eindeutig wie sie Schäuble darstellt.

EuGH erlaubt Schuldenschnitt

Entscheidend für die Auslegung der Nichtbeistandsklausel ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 27. November 2012. In dem sogenannten Pringle-Urteil hat der EuGH festgestellt, dass die EU und die Mitgliedstaaten einem Mitglied der Eurozone sehr wohl finanzielle Unterstützung leisten dürfen, sofern diese unter strengen Auflagen erfolgt. Im Urteil heißt es, dass die Auflagen geeignet sein müssen, das Empfängerland „zu einer soliden Haushaltspolitik zu bewegen“.

Im Urteil zu den umstrittenen Anleihekäufen durch die EZB hat der EuGH im vergangenen Monat diese Position bekräftigt. Im Ankaufprogramm der EZB sahen die Richter keine Form der verbotenen Staatsfinanzierung. Matthias Goldmann vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht erkennt in dem Urteil eine Bestätigung, dass eine Restrukturierung der griechischen Staatsschulden mit europäischem Recht vereinbar sei. Dies sollte selbst dann gelten, wenn die Restrukturierung einen „Haircut“, also einen Schuldenschnitt einbezieht, schreibt Goldmann in einem Beitrag für den Verfassungsblog.

OnVista/dpa-AFX/Reuters
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