Haben die Landtagswahlen vom 13. März wirtschafts- und finanzpolitische Auswirkungen?

Robert Halver · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Haben die Landtagswahlen vom 13. März 2016 wirtschafts- und finanzpolitische Auswirkungen?

Die Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt haben die im europäischen Vergleich so stabile parteipolitische Landschaft Deutschlands ordentlich in Bewegung gebracht. Die AfD hat auch in westdeutschen Parlamenten mit zweistelligen Ergebnissen Einzug gehalten. Mittlerweile ist die AfD in der Hälfte der 16 Länder- und Stadtparlamente vertreten. Das damalige Schreckgespenst von Franz-Josef Strauß, das sich rechts von der Union eine Partei etablieren könnte, fliegt umher.

Und es gibt weitere Polit-Revolutionen. Wer hätte jemals gedacht, dass die Grünen im Industrie-Ländle stärkste politische Kraft werden und eine neue Große Koalition mit der Union anführen. Apropos, die früher immer mögliche Große Koalition aus Union und SPD geht aktuell nicht mehr überall. Heutzutage gehören Dreier-Koalitionen mit bunter Farbzusammensetzung zu den neuen politischen Tatsachen. Politisch ist in Deutschland Multi-Partei- Kulti angesagt.

Der DAX lässt sich nicht aus der Ruhe bringen

Wegen des Erstarkens der AfD hört man nun aus den etablierten Parteien und aus der Wirtschaft Begriffe wie politischer Kulturschock, instabile Regierungsbündnisse, Imageschäden für den deutschen Industriestandort und Investitionsbremse.

Deutschland ist mit den Wahlergebnissen vom 13. März in einer Realität angekommen, die in anderen Ländern der EU längst üblich ist. Dort ist von links bis rechts und dazwischen alles vertreten. In vielen dieser Länder sind selbst Vierer-Koalitionen keine Seltenheit. Ohnehin, in den Parlamenten von Mainz, Magdeburg und Stuttgart stehen mit Frau Dreyer, Herrn Haseloff und Herrn Kretschmann als der Realo-Häuptling der Grünen gestandene Persönlichkeiten als Regierungschefs zur Verfügung. Mit dieser Landesmutter bzw. diesen Landesvätern sind klare politische Verhältnisse durchaus zu erwarten und ist die Demokratie überhaupt nicht in Gefahr. Dreier-Koalitionen könnten sogar für frischen Wind sorgen: Weniger Lust auf Ideologie, mehr Zwang zum Pragmatismus. Dagegen wird die Wirtschaft wohl kaum etwas einzuwenden haben. Auch dürfte es für den einen oder anderen Wirtschaftsmanager doch durchaus attraktiv sein, dass die wirtschaftsfreundliche FDP zumindest in Rheinland-Pfalz wieder mitregieren könnte. Selbst den DAX als grundsätzlich feinfühliges Barometer für politische Entwicklungen lässt dieser Wahlsonntag ziemlich kalt. Er interessiert sich viel mehr für die Geldpolitik der EZB.

Politische Ausgrenzung führt nicht zum Erfolg

Grundsätzlich muss unsere Parteiendemokratie jedes Wählervotum akzeptieren, auch wenn es für die Alt-Parteien nur schwer auszuhalten ist. Politisch wenig Sinn macht es, wenn die etablierten Parteien jetzt die neue Konkurrenz mit reiner Abwehrhaltung bekämpfen wie man dies früher mit den Grünen und der PDS bzw. nach Namensänderung der Partei Die Linke versuchte. Im Bundestagswahlkampf 1987 hatte der damalige Kanzlerkandidat der SPD, Johannes Rau, klar Stellung gegen die Grünen bezogen. Auf den Zusammenhang, den ein früherer hessischer Ministerpräsident zwischen Grünen und Dachlatten hergestellt hat, will ich an dieser Stelle nicht im Detail eingehen. Wie auch immer, die SPD hat den Grünen damit eine große öffentliche Wahrnehmung beschert. Heute ist sie längst eine Alt-Partei.

1990 hat die Union eine Rote Socken-Kampagne gegen die damalige PDS gestartet und haben führende Sozialdemokraten ab 2007 von der sogenannten Linken gesprochen. Beide Volksparteien haben insofern der PDS/der Partei Die Linke eine öffentliche Bühne geboten und damit unfreiwillig den Steigbügel gehalten, um eine etablierte Partei zu werden.

Laut Umfragen haben ca. zwei Drittel der AfD-Wähler angegeben, diese Partei aus Protest gewählt zu haben. Jetzt seitens des Parteien-Establishments zu glauben, man müsse nur kräftig genug gegen die AfD austeilen und dann kämen schon die verloren gegangenen Wähler in ihre wirkliche politische Heimat zurück, ist also gemäß historischer Erfahrung sehr naiv gedacht.

Das Lösungs-Vakuum muss gefüllt werden

Die Alt-Parteien sollten diesen Wählerprotest als sehr ernsten Weckruf begreifen. Sie müssen sich mit den Sorgen der Wählerinnen und Wähler auseinandersetzen und Probleme nicht nur in Talk Shows langatmig und immer wieder nur beschreiben, sondern politisch endlich lösen. Das Vertrauen in die politische Lösungsfähigkeit wird übrigens nicht gestärkt, wenn GroKoPos - Politiker der amtierenden Bundesregierung - alltäglich öffentliche Streitereien und Hahnenkämpfe zelebrieren. Also, wenn ich Interesse an Kämpfen habe, schaue ich mir lieber einen Boxkampf mit Klitschko an.

Die Wähler erwarten, dass eine Große Koalition ganz große Bretter bohrt, zumal dann, wenn dieses Regierungsbündnis machtvoll über ca. 80 Prozent der Sitze im Bundestag verfügt. Für Laubsägearbeiten brauchen wir die GroKo nicht. Da muss sich niemand über das Wahlverhalten in den drei Bundesländern am 13. März 2016 wundern.

Die Bundesregierung muss Lösungen an zwei Fronten bieten. Erstens geht es um den Komplex Flüchtlingskrise und damit verbunden die derzeitigen Zersetzungserscheinungen in der EU, die Eurosklerose. Ist es denn so schwer, wenn der ein oder auch die andere ab und zu über den eigenen Schatten springt und auf die anderen EU-Schwestern und Brüder zugeht, um der EU-Großfamilie wieder Gemeinschaftsgefühl zu geben? Erst dann lässt sich mit dieser wirklichen Koalition der Willigen ernsthaft über z.B. den Schutz der EU-Außengrenzen reden. Und genau das muss die EU familienintern schaffen, um zu zeigen, dass man nicht nur wirtschaftspolitisch, sondern auch politisch stark ist. Diese Aufgabe darf man niemals in EU-fremde Hände geben. Die EU darf sich nicht abhängig machen.

Bekommt man das hin, hat man die Abwehrkräfte der Gesamt-EU ähnlich gestärkt wie Vitamin C das menschliche Immunsystem. Wenn die EU keinen anbiedernden, sondern einen handlungsfähigen Eindruck macht, ist das übrigens auch eine Nummer gegen Großbritanniens EU-Kummer. Wer will sich schon schüchtern auf die einsame Insel zurückziehen, wenn der starke EU-Familienbund einen auffängt? Nicht zuletzt, ist die EU politisch wieder stark, ist sie auch ein starker Investitionsstandort. Hier gilt die alte Weisheit vom Bauernhof: Hühner, die nicht mehr verunsichert sind, legen auch wieder Eier.

Für die GroKo muss gelten: Wir machen den Weg frei

Zweitens muss die GroKo die Füße von der deutschen Investitionsbremse nehmen. Die Bundesregierung hat ähnlich wie ein Bagger von Caterpillar die Aufgabe, wirtschaftspolitische Handicaps aus dem Weg zu räumen. Wieso hat es eine kleine Koalition hinbekommen, jahrzehntelangen Reformstillstand in Deutschland durch die große Agenda 2010 zu beseitigen und warum gelingt aktuell der GroKo noch nicht einmal ein kleines Agenda-chen?

Und wann begreift man in Berlin, dass die schwarze Null im Bundeshaushalt kein Selbstzweck ist? Warum nimmt man nicht die geldpolitischen Segnungen an und macht neue Schulden, die nicht nur keine Zinskosten, sondern Zinsgewinne bescheren und auch noch von der EZB aufgekauft werden? Wieso baut man mit diesen staatlichen Investitionen nicht bundesweit eine hochmoderne Infrastruktur auf, die weltweit Spitze ist? Der Bund muss wie in den 50er-Jahren zum Brückenbauer werden. Dann investiert auch die Privatwirtschaft wieder in dieses standortverbesserte Deutschland. Und dann kommt es zum volkswirtschaftliche Lustgewinn: Arbeitsplätze, Konsum, Steuereinnahmen.

Dabei sollte man unbedingt die großen Kapitalsammelstellen als Investitionspartner gewinnen. Dann kämen diese endlich aus der Diaspora ihres Niedrigzins bedingten Anlagenotstands heraus und endlich wieder in den Genuss von renditeattraktiven und substanzstarken Investmentobjekten. Die Kunden würden ihnen die Bude einrennen.

Mit dem Schaffen von Lösungen in beiden Bereichen würde in Deutschland aus allgemeiner Verunsicherung allgemeine Zuversicht. Dem deutschen Phänomen, das im angelsächsischen Sprachgebrauch als german angst Einzug gehalten hat, würde kräftig entgegengewirkt. Seit Kriegsende haben es Bundesregierungen immer wieder verstanden, den Deutschen ihre Angst in puncto Zukunft, Wohlstandsverlust, etc. zu nehmen. Das muss die Regierung, konkret Frau Merkel und Herr Gabriel, auch wieder schaffen. Sie müssen zu Bundesmutter bzw. Bundesvater werden.

Grundsätzlich haben es die etablierten Parteien in der Hand: Wenn sie ihre Hausaufgaben ordentlich machten, bräuchten sie sich vor den Wählerinnen und Wähler nicht zu fürchten. Und dann ist auch jede Angst vor schwierigen politischen Verhältnissen und damit unsicheren Bedingungen für Wirtschaft und Finanzmärkte ungerechtfertigt.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128 Hinzufügen

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