Im Gespräch: Der letzte Meter Sicherheit kostet Performance

Börsen-Zeitung · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Börsen-Zeitung, 30.11.2013

Risikomodelle, so räumt der leitende Portfoliomanager Jens Gottsmann von Union Investment ein, sind nicht perfekt. Extreme Ausschläge träten an den Börsen häufiger auf, als die für viele Modelle so wichtige glockenförmige Normalverteilung nahelege. Statistische Kennziffern sind aus seiner Sicht nicht obsolet, doch müssen die Ergebnisse "mit hoher Sachkenntnis, Erfahrung und gesundem Menschenverstand" interpretiert werden. "Systemgläubigkeit allein führt in die Irre."

Die Strategie "Immuno" soll Anleger bereits seit 1995 vor hohen Verlusten schützen. 18,3 Mrd. Euro legt das von den Genossenschaftsbanken getragene Fondshaus nach diesem Konzept oder nach der sich daran anlehnenden Strategie "Konvexo" an. Das Konzept sieht eine Wertuntergrenze vor, die möglichst nicht unterschritten werden soll. So stellt etwa das 1,0 Mrd. Euro schwere Publikumsprodukt "PrivatFonds: Konsequent pro" in Aussicht, dass der Anteilwert jeweils zum Ende eines Zwölf-Monats-Zeitraums mindestens 90 % des Ausgangswerts betragen soll. Folgt man der Normalverteilungsannahme, wäre ein Einbruch unter die Wertuntergrenze nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,005 % zu erwarten - also praktisch unmöglich.

Weil sich die Portfoliomanager des Fondshauses aber nicht allein auf dieses mathematisch klare Ergebnis verlassen wollen, flankieren sie ihr Risikomodell mit Stresstests, mit denen sie die Folgen ungewöhnlich hoher Kurseinbrüche durchrechnen. Ein Übernachtverlust von 15 % an den Aktienmärkten müsse verkraftbar sein, sagt Gottsmann, in turbulenten Marktphasen auch mehr. Bisher sei aber alles glattgelaufen. Das Platzen der Internetblase, die Havarie der Investmentbank Lehman Brothers, die Euro-Krise und andere Ereignisse haben Börsenkurse tief fallen lassen, die Wertuntergrenze wurde aber laut Gottsmann nie unterschritten. Folgt jedoch eine kräftige Aufwärtsphase auf den Abschwung, nehmen Anleger erst verspätet daran teil. Ein Preis, der sich lohnt, wie die Gesellschaft in einer Präsentation hervorhebt: "Realisierter Verlust schmerzt stärker als entgangener Gewinn."

Hohe Renditen sind mit "Immuno" aber auch schwer erreichbar, weil die Zinsen und Anleiherenditen seit nunmehr zwei Jahrzehnten sinken. Kommt es zu einem hohen Verlust, können die Fondsmanager diesen kaum noch ausgleichen, indem sie das Geld sicher anlegen und die Zinsen einholen. Folglich sinkt das Risikobudget, das für riskante, aber eben auch rentierliche Assets wie Aktien oder Hochzinsanleihen zur Verfügung steht. Wären die Sicherheitspuffer der Strategie nur ein wenig geringer, so rechnen die Analysten aus, bliebe den Fondsmanagern viel mehr Spielraum für riskantere Anlagen. "Der letzte Meter Sicherheit kostet sehr viel Performance", sagt Gottsmann.

Das Fondshaus hat daher die bewährte Strategie flexibler gemacht - und riskanter. Mit dem Konzept "Konvexo" können die Anleger Zielgrößen viel stärker selbst vorgeben - zum Beispiel, dass die Wertuntergrenze auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit unterschritten werden darf. Auch die Entscheidung, welche Papiere als sicher einzustufen sind, liegt nun im Ermessen der Investoren. Statt Bundesanleihen ziehen einige von ihnen etwas höher verzinste, aber weniger liquide Pfandbriefe heran, für andere Anleger kommen ausländische Staatsanleihen in Frage. Für die Anlage bleibt dann ein etwas größerer Spielraum.

Die Wertuntergrenze ist bei "Konvexo" dann aber nur eine Steuerungsgröße von vielen. Das Versprechen, die Grenze einzuhalten, ist unverbindlich und gleicht eher einer Absichtserklärung. Institutionelle Investoren zeigten an einer flexiblen Ausrichtung Interesse, sagt Gottsmann. Privaten Sparern wäre das Konzept hingegen schwer vermittelbar. Der Sinn einer Wertuntergrenze, die nicht um jeden Preis eingehalten werden muss und flexibel angepasst werden kann, erschließt sich wohl erst auf den zweiten Blick.

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