Kredit-Urteil gegen die Hamburger Sparkasse: Klare Worte an einen Kunden, auf den ich verzichten kann

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Blasen und dabei das Mehl im Mund behalten geht nicht, hat DER-FONDS-Kolumnist Markus Stillger schon als Kind gelernt. In Gelddingen versuchen manche Zeitgenossen trotzdem immer wieder, sich ohne jeden Einsatz Vorteile auf Kosten der Allgemeinheit zu verschaffen - was ihn maßlos ärgert.

Mit Urteil vom 4. August 2016 hat das Landgericht Hamburg unter dem Aktenzeichen 321 O 10/16 die Hamburger Sparkasse verurteilt, einem Kunden, der dort vor acht Jahren einen Darlehensvertrag über 380.000 Euro abgeschlossen hat, wegen einer "fehlerhaften Formulierung in der Widerrufsbelehrung" einen Schadensersatz in Höhe von insgesamt 68.500 Euro zu zahlen. Der Anwalt des Klägers lässt sich in einer Pressemitteilung mit den Worten feiern: "Jetzt müssen sich die Hamburger Sparkasse und alle bisher noch nicht vergleichsbereiten Sparkassen warm anziehen."

Viele werden jetzt denken "Endlich mal einer, der es den raffgierigen Bankern gezeigt hat!" Ich sehe das komplett anders. Dieser Fall ist ein Musterbeispiel für die sich immer mehr verbreitende Mentalität in unserem Land nach dem Motto "Wenn's läuft, wird der Gewinn eingesteckt und wenn's net läuft, wird geklagt!"

In diesem Fall hatte der Kläger vor acht Jahren ein Darlehen zu einem Fest-Zinssatz von 5,25 Prozent über zehn Jahre abgeschlossen. Auch wenn sich viele nicht mehr daran erinnern können: Das war zum damaligen Zeitpunkt - 2008 - ein marktgängiger Zinssatz. Der heutige Kläger hat mit Sicherheit damals die Bank mit dem Gefühl verlassen "Da hab ich mir ja jetzt noch schnell einen guten Zinssatz gesichert, bevor die Zinsen weiter steigen."

Dass infolge der Finanzkrise dann die Zinsen für Darlehen mit zehnjähriger Laufzeit von 5,25 Prozent auf bis zu 1,0 Prozent sinken, konnte zu diesem Zeitpunkt kein Mensch vorhersehen. Ebenso wenig wie man vorhersehen konnte, dass Anfang der 90er Jahre die Zinsen für solche Kredite durch die Öffnung der Grenzen im Osten relativ schnell von 7 Prozent auf 9 Prozent anstiegen.

Ich gehe jede Wette ein: Wäre das Problem "falsche Widerrufsbelehrung" zu diesem Zeitpunkt aufgetreten, hätte der Kläger die Füße still gehalten und sich heimlich und leise über sein günstiges Darlehen in Höhe von 7 Prozent gefreut, während alle anderen, die dann zwei Jahre später Kapitalbedarf hatten, 9 Prozent bezahlen mussten. Jetzt auf einer falschen Formulierung der Widerrufsbelehrung herumzuhacken ist in meinen Augen übelstes Schmarotzertum. Der Komplex der Widerrufsbelehrung war im Jahr 2008 zudem nur wenigen Finanzierungs-Spezialisten überhaupt bekannt.

Der Kläger war ein Arzt - also jemand, dem man durchaus zutrauen kann, das Kleingedruckte in einem Formular nicht nur zu lesen, sondern auch zu verstehen. Er hätte doch genauso gut sein Darlehen zu variablen Zinsen abschließen können, dann würde er von der jetzigen Niedrigzinsphase profitieren. Aber das Risiko, dann möglicherweise steigende Zinsen in Kauf zu nehmen, wollte er damals offensichtlich nicht. Um am 30. Mai 2015 - also gut sieben Jahre nach Vertragsunterzeichnung - sagt er dann "Och, das wollte ich doch damals gar nicht so" Dazu fällt mir nur der alte Nassauer Grundsatz ein "Bloose uns Mähl im Maul behalle, gieht net!"

Diesem Prozesshansel geht es einzig und alleine darum, die Verantwortung für seine damalige wirtschaftliche Fehlentscheidung, nämlich einen Zehn-Jahres-Vertrag mit 5,25 Prozent Zinsen zu unterschreiben, auf andere abzuwälzen. Und "andere" sind in diesem Fall wir alle, da nämlich die Folgen eines solches Urteil logischerweise nicht der Heilige Geist trägt. Sondern jeder einzelne Sparkassen-Kunde, da die auf diese Weise entstanden Kosten umgelegt werden müssen.

Wahrscheinlich muss sich auch der Itzehoer SV 09 für die Beflockung der nächsten Trainingsanzüge einen neuen Werbepartner suchen, weil das eine der Maßnahmen ist, an denen die Sparkasse als erstes spart. Von künftigen Restriktionen beziehungsweise Schwierigkeiten bei der Vergabe von Darlehen ganz zu schweigen - hier hat uns die EU ja bereits mit der neuen Immobilienkredit-Richtlinie ein schönes Ei ins Nest gelegt.

Die Banken stehen in der heutigen Zeit ja in vielen Fällen in der Kritik. Aber in diesem Punkt muss ich das Kreditgewerbe auch einmal ausdrücklich in Schutz nehmen. In diesem Fall geht es nämlich nicht um die klassische Falschberatung, wo einem sicherheitsorientiertem Kunden ein risikobehaftetes Produkt verkauft wurde. Sondern einzig und allein um die Verschaffung eines persönlichen und nicht verdienten Vorteils.

In meinen Augen gehört es zur Pflicht eines Anwalts, einem Mandanten gegebenenfalls auch einmal von einer Klage abzuraten. Auch wenn er diesen Fall für seinen Mandanten gewonnen hat: Unter dem Strich hat er allen Bankkunden einen Bärendienst erwiesen. Die meisten wissen es nur noch nicht. Aber vielleicht haben wir auch einfach zu viele Advokaten in unserem Land.

Zur Leistung des Richters in diesem Fall sage ich lieber nichts, sondern halte mich an das Motto von Jürgen Klopp: "Wenn ich alles sage, was ich denke, werde ich ein Leben lang gesperrt." Nur so viel: Bei Salomon ist dieser Richter nicht in die Lehre gegangen und Weitsicht sieht anders aus. An den Gewinner dieses Prozesses wiederum richte ich meine Abschlussworte: Herzlichen Glückwunsch, ich hoffe, Sie benötigen niemals mehr in Ihrem Leben einen Kredit beziehungsweise eine Bank. Und wenn Sie Ihr Geld anlegen wollen: Bei mir können Sie leider nicht Kunde werden. Auf solche Leute wie Sie kann ich - Gott sei Dank - verzichten.

Über den Autor: Markus Stillger ist Gründer und Inhaber der Stillger & Stahl Vermögensberatung und der MB Fund Advisory aus Limburg an der Lahn. Für DER FONDS kommentiert er an dieser Stelle jeden Monat aktuelle Trends an den Kapitalmärkten und stellt ihnen seine eigene Weltsicht entgegen.

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