Langsameres Wachstum ist Chinas “neue Normalität”

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China gibt sich nach Jahrzehnten des Wirtschaftsbooms mit weniger Wachstum zufrieden – von Kevin Yao und Koh Gui Qing

Peking (Reuters) – China sei in einer “neuen Normalität” angekommen, sagte Ministerpräsident Li Keqiang zum Auftakt der jährlichen Sitzung des Nationalen Volkskongresses am Donnerstag in Peking. Er schraubte das Ziel für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr auf für chinesische Verhältnisse bescheidene sieben Prozent zurück. Es wäre das schwächste Plus seit einem Vierteljahrhundert, nachdem im vorigen Jahr die Vorgabe von 7,5 Prozent knapp verfehlt wurde. Die Konjunktur stützen will der Staat mit höheren Investitionen. Zudem sollen der Kampf gegen Korruption und Umweltverschmutzung forciert werden und der Militäretat erneut kräftig aufgestockt werden.

“Der Druck auf die Wirtschaft steigt” sagte Li vor den rund 3000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes. “Die tiefsitzenden Probleme kommen stärker zum Vorschein.” Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt stehe in diesem Jahr wohl vor größeren Schwierigkeiten als 2014. Um sie nach 30 Jahren mit oftmals zweistelligen Zuwachsraten nachhaltiger zu gestalten, seien weitere schmerzhafte Reformen nötig. China kommt bei den Umbaumaßnahmen allerdings die Konjunkturabkühlung dazwischen. Schrumpfende Industrie, fallende Häuserpreise und wachsende Deflationssorgen schürten zuletzt die Furcht vor einer harten Landung der Wirtschaft. Um gegenzusteuern senkte die Notenbank erst am Wochenende zum zweiten Mal innerhalb von rund drei Monaten die Zinsen.

Die kommunistische Führung will das auf Turbowachstum gepolte Wirtschaftsmodell auf Nachhaltigkeit trimmen. Dazu dürfte sie nun unter anderem versuchen, die teils ausufernde Verschuldung von Kommunen und Regionen einzudämmen. Auch sollen die Macht großer Staatskonzerne beschnitten und Beschränkungen für ausländische Investitionen gelockert werden. China will langfristig weg von einem Wachstumsmodell, das primär auf Export und Investitionen setzt und hin zu einer Wirtschaft, die stärker vom Binnenkonsum des Milliardenvolks angetrieben wird und die Umwelt weniger stark belastet.

“MADE IN CHINA” SOLL FÜR QUALITÄT BÜRGEN

Auch will das Land nicht länger nur als verlängerte Werkbank des Westens dienen, sondern selbstentwickelte Produkte herstellen. Dazu soll nun vor allem die Industrie modernisiert werden. China solle von einem Massen- zu einem Qualitäts-Hersteller werden, sagte Li. Er kündigte eine Art Gütesiegel-Strategie “Made in China 2025″ an. Auch die Landwirtschaft soll modernisiert werden. Zudem sind höhere Ausgaben für den Ausbau der Infrastruktur wie etwa der Bahnstrecken sowie der Wasserversorgung geplant. Das Haushaltsdefizit werde dabei von 2,1 auf 2,3 Prozent steigen. Dies will die Regierung aber nicht als großes Konjunkturpaket verstanden wissen. Sie sei bestrebt, das Wachstum in einem vernünftigen Rahmen zu halten, sagte Li.

MILITÄR-ETAT STEIGT – HIGH-TECH-WAFFEN IM VISIER

Der Staat nimmt zwar für die Renovierung der Wirtschaft die geringeren Wachstumsraten in Kauf. Er muss dabei aber genügend Arbeitsplätze schaffen, um soziale Unruhen zu vermeiden. In diesem Jahr sollen es mehr als zehn Millionen neue Jobs werden, sagte Li. Die Arbeitslosenquote dürfe 4,5 Prozent nicht übersteigen. Zugleich treibt China die Modernisierung der größten Armee der Welt voran. Dazu werden die Militärausgaben in diesem Jahr um 10,1 Prozent erhöht. Der Rüstungsetat soll auf 886,9 Milliarden Yuan (rund 128 Milliarden Euro) steigen und vor allem in die Entwicklung von High-Tech-Waffen gesteckt werden, sagte Li. Im vergangenen Jahr war der zweitgrößte Rüstungsetat der Welt nach den USA um zwölf Prozent angehoben worden. China streitet mit Nachbarstaaten wie Japan, Taiwan und Vietnam um Hoheitsrechte im Ost- und Südchinesischen Meer.

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