Optimistische Grüße vom „Schwarzseher“

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo Leute! Es ist passiert, zum allerersten Mal: Der unverbesserliche Optimist, der ich seit meiner Kindheit bin, ist von einem Leser als „Schwarzseher“ kritisiert worden. Bisher haben mich nur Verschwörungstheoretiker, Crash-Propheten und notorische Miesmacher wegen meiner Am-Ende-wird-alles-gut-Haltung aufs Korn genommen. Unter der aktuellen Post fand ich eine Mail von M. K., der eigentlich die Rolle der Politik meint und dabei meine Position offenbar missversteht. Da es um was Grundsätzliches geht, will ich das hier aufgreifen - herzlichen Dank übrigens allen, die mir schreiben und ihre Einschätzungen und Stellungnahmen liefern!

M. K. schreibt: „Lieber Onvista Börsenfuchs, schade, dass Sie zu denjenigen gehören, die alles schlecht reden (nee, das tu ich doch gar nicht). Sie hören täglich die politischen Nachrichten (nicht nur die), welche zugegebener Maßen immer nur noch negativ sind, außer beim Sport, dort gibt es neben Verlierer auch Sieger. Allerdings hängt die Börse nicht nur an politischen Nachrichten, sondern auch an Unternehmensnachrichten. Ist es denn verboten, auf Unternehmen zu setzen, die jahrzehntelang Gewinne erwirtschaften und deren Vermögen sich anhäuft? Muss ich denn da auf lange Sicht beachten, dass Frau Merkel sich mit einem “Kommunisten Erdogan” trifft? Die Unternehmen schreiben überwiegend gottseidank positive Zahlen. Auf das setzen doch die Börsianer und nicht auf das Gequatsche in der Politik. Schöne Grüße an einen Schwarzseher.“

Lieber M. K., wie Sie darauf kommen, dass ich zu denjenigen gehören würde, die „alles schlecht reden“, ist mir zwar ein Rätsel. Doch gibt mir Ihr Hinweis auf das „Gequatsche in der Politik“ die Chance, wieder einmal auf einen von vielen Medien vernachlässigten Zusammenmhang hinzuweisen. Sie kennen sicher die saublöde Metapher „Politische Börsen haben kurze Beine“, die selbst von Profis ab und an benutzt wird. Ich meckere deshalb darüber (und das seit langem), weil der Spruch inhaltlich einfach falsch ist. Im Zuge von Digitalisierung und Globalisierung wird die Welt von Jahr zu Jahr kleiner, wachsen Politik und Wirtschaft immer enger zusammen. Themen wie Banken- und Eurokrise, Schuldenkrise, Grexit, Brexit usw. beschäftigen die Entscheider tagtäglich. Dazu kommen geopolitische Konflikte wie Ukraine und Ost-West-Spannungen, Naher Osten, Nordkorea, Flüchtlingskrise etc. Alle diese Punkte sind analytisch nicht messbar, sind übergeordnete Faktoren - mit zeitweise ganz starken Einfluss auf Stimmung und Kursen gerade an den Aktienmärkten.

Das beste - positive! - Beispiel liefert die „Brexit“-Diskussion. Denn es hat der Börse in der vergangenen Woche spürbar geholfen, dass sich eine „England-bleibt-drin“-Meinung durchgesetzt hat. Die Angst vor einem ablehnenden Referendum der Briten am 23. Juni ist plötzlich wie verflogen. Dagegen liefert die Politik nix anderes als erwartet: leere Sprüche und Versprechungen (was die Börse auch nicht enttäuscht). Aber stellen Sie sich einmal vor, auf dem G7-Gipfel in Japan hätte es nicht nur Willenserklärungen zur Stärkung der Weltwirtschaft gegeben (durfte man aber nicht erwarten), sondern konkrete Beschlüsse für eine handfeste Förderung der fragilen Konjunktur in den führenden Industrienationen - die Aktienmärkte würden (bildlich gesprochen) in die Hände klatschen.

Mein Appell dürfte auch bei Ihnen, geschätzter M. K., Zustimmung finden: Obwohl es langfristig auf die Entwicklung der Aktiengesellschaften und ihr wirtschaftliches Umfeld ankommt, sollte jeder Anleger mit einem Auge auch beobachten, wann und wie stark politische Einflüsse auf die Märkte wirken!

Post an den Börsenfuchs: boersenfuchs@onvista.de

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