Sieg der Antizykliker

Stefan Riße · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Was wir in den vergangen Wochen erlebt haben, ist aus Sicht der „Behavioral Finance“ schon als historisch fast einmalig zu bezeichnen. Obwohl die Aktienmärkte, Wall Street aber auch viele europäische sich die gesamte Zeit unweit von ihren Höchstständen befanden, wurde die Stimmung der Investoren immer schlechter. Üblicherweise ist der Börsianer ein Herdentier und verändert sich die Stimmung prozyklisch mit den Kursen. Steigen sie, dann steigt auch der Optimismus, fallen sie, wächst das Lager der Pessimisten.

Stimmungsindikatoren messen Optimismus und Pessimismus

Messen lässt sich die Anlegerstimmung anhand von Stimmungsindikatoren. Das sind zum einen Anlegerumfragen, Auswertungen von Börsenbriefen oder auch Put/Call-Ratios. Hier verfüge ich seit Jahren über eine große Datenbank, auf die ich für meine Analysen zugreifen kann. Am Jahresanfang zeigte sich hier noch ein ausgeprägter Optimismus. Doch nach und nach ist vor allem in Deutschland die positive Stimmung einer ausgeprägten Skepsis gewichen. Und auch in den USA gibt es bei einigen Indikatoren wie den AAII, der die Stimmung der Privatanleger wiedergibt, ausgeprägten Pessimismus

Höchstkurse und Mai machen Angst

Zum einen sind es die Höchstkurse und die fortgeschrittene Dauer des Bullenmarktes, die den Anlegern Angst macht. Seit Wochen wird vor allem in den USA darüber diskutiert, wann der nächste Crash kommt und von vielen Experten wird davor gewarnt. In Deutschland ist es einfach das DAX-Niveau. Die nicht weit entfernt liegenden 10.000 Punkte sehen optisch teuer aus. Dazu kam die Krise in der Ukraine, die zu Verunsicherung geführt hat. Ein Teil zur Stimmungsabkühlung dürfte ab April auch die alte Börsenregel, „Sell in May an go away“ beigetragen haben.

Antizyklisch wäre wieder das Credo gewesen

Die Anlegerstimmung soll Aufschluss über deren Positionierung geben. Herrscht großer Optimismus, ist die breite Masse investiert, womöglich auch auf Kredit und das Risiko eines Sturzes steigt. Herrscht hingegen großer Pessimismus, sitze viele Anleger auf Bargeld und müssen den Kursen hinterherlaufen, wenn diese zu steigen beginnen. Haben sich viele Anleger abgesichert, wie zuletzt anhand des Put/Call-Ratios in Deutschland ablesbar, ist ein Kurssturz eher unwahrscheinlich. Demgemäß hätte man in den vergangen Wochen kaufen müssen. Das ultimative Signal kam wie häufiger in den vergangen Jahren von Deutschlands berühmtesten Börsenorakel, das davon ausging, dass der Kampf zwischen Bullen und Bären zugunsten der Bären ausgehen würde.

Kurzum man hätte Ukraine, Mai und Höchstkurse einfach unbeachtet lassen und einfach stumpf antizyklisch handeln sollen. Dann wäre man jetzt bei denen, die von den Rekordkursen profitieren. Leider hatte auch ich diesen Mut nicht, doch das Beispiel lehrt ein weiteres Mal, wie wichtig die Betrachtung der Anlegerstimmung ist.

Mehr dazu finden Sie auf meinem Blog www.rissesblog.de. Zu diesem Thema gebe ich auch wöchentliche Webinare mit den neuesten Stimmungszahlen.

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