Spannendes Spekulationsobjekt Anleihe

Stefan Riße · Uhr

Wieder diese bösen Hedgefonds. Sie sollen für eine mögliche Pleite Argentiniens verantwortlich sein, ganz genau Elliott Management. Denn der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat Argentiniens Berufungsantrag im Prozess um ausstehende Auslandsschulden abgelehnt. Damit steht das Urteil, das Elliott erstritten hat, nach dem Argentinien Gläubiger voll auszahlen muss, die die Schulden-Umstrukturierungen von 2005 und 2010 nicht angenommen hatten. Es geht dabei zunächst “nur” um 1,5 Milliarden Dollar. Verkraftbar selbst für einen Staat wie Argentinien, die weiteren Folgen sind jedoch heikler.

Spekulationsobjekt Anleihe

Wer gut leben will, kauft Aktien, wer gut schlafen will, der kauft Anleihen, lautet eine alte Börsenweisheit. Doch sie stimmt so pauschal nicht. Anleihen können ein äußerst attraktives Spekulationsobjekt sein, wie das Beispiel Argentinien aktuell zeigt. Wie war es dazu gekommen? Nachdem das Land vor rund zehn Jahren quasi zahlungsunfähig wurde und seine auf Dollar lautenden Anleihen nicht bediente, bot man den Anleihegläubigern an, diese mit erheblichem Abschlag in neue Schuldtitel umzutauschen. 92 Prozent nahmen diesen Vergleich an, die restlichen acht Prozent nicht. Da die Altpapiere nicht mehr bedient wurden, fielen sie auf einen Bruchteil ihres Nennwertes. Ein paar Hedgefonds kauften sie auf, um doch mal zu sehen, ob Argentinien sich so einfach seiner Verpflichtung entziehen und die neuen Anleihen bedienen darf, während die alten unbezahlt bleiben. Seit Montag wissen wir es. Zumindest der Oberste Gerichtshof in den USA meint, Argentinien darf nicht.

Ein Urteil mit Folgen

Die 1,5 Milliarden, die Elliott Management zu bekommen hat, wären für das südamerikanische Land noch zu stemmen, doch Elliott repräsentiert nur ein Prozent der nicht umgetauschten Anleihen. Melden nun auch die restlichen sieben Prozent ihre Forderung an, dann zehrt dies die Hälfte der Devisenreserven des Landes auf. Staatschefin Cristina Fernández de Kirchner droht daher auch mit einer erneuten Pleite des Landes.

Das Urteil könnte zudem nicht nur für Argentinien Folgen haben. Generell muss sich jeder Staat, der seine Anleihen restrukturieren will, fragen, ob dies rechtlich überhaupt Bestand haben wird. In einer globalisierten Welt, in der jedes Land irgendwo in der westlichen Welt Vermögenswerte hat, die sich pfänden lassen, sind Staatsschulden nicht mehr ohne weiteres abzuschütteln, solange es diesen Staat noch gibt. Auch in Bezug auf Griechenland haben große wie kleine Anleger den Umtausch abgelehnt und bereits entsprechende rechtliche Aschritte angekündigt. Volkswirtschaftlich betrachtet ist dies nicht unproblematisch, weil manchmal ohne Schlussstrich kein Neuanfang möglich ist. Hier werden sich die Gesetzgeber Gedanken machen müssen.

Eine unmoralische Spekulation?

Die Hedgefonds stehen nun wieder am Pranger. Sie würden Argentinien, das sich langsam wieder erholt, in eine neue schwere Krise stürzen, heißt es. Doch kann man den Hedgefonds einen moralischen Vorwurf machen? Ich denke nicht. Etwas anderes ist es, wenn sie Unternehmen aufkaufen, plündern, mit Schulden vollladen und sich wieder aus dem Staub machen. Hier nutzen sie ihre Kapitalübermacht gnadenlos aus. Doch im Fall von Argentinien ist es die unabhängige Rechtsprechung als neutrale Instanz, die vorgibt was richtig ist. Hierauf muss sich jeder verlassen können, auch Hedgefonds. Und es zu versuchen, ist legitim.

Kostolanys spannende Anleihespekulationen

Das Beispiel Argentinien zeigt, Spekulanten sollten auch den Anleihemarkt im Auge haben. Auch mit den Anleihen der Europeripherieländer war ja zuletzt viel Geld zu machen. Börsenaltmeister André Kostolany hat seine spektakulärsten Gewinne nicht etwa mit Aktien, sondern mit Anleihen gemacht. Nach dem zweiten Weltkrieg setzte er darauf, das Bundeskanzler Konrad Adenauer das Ansehen Deutschlands bei internationalen Anlegern würde wieder herstellen wollen. Er kaufte notleidende deutsche Vorkriegsanleihen auf Dollar, Pfund und Franc lautend. Das spektakulärste Ergebnis erreichte er mit den Franc-Anleihen, weil Adenauer noch korrekter handelte, als selbst „Kosto“ es erwartet hatte. Da der Franc sich durch den Krieg total entwertet hatte, stellte er die Anleihegläubiger so, als wären es in Pfund laufende Anleihen gewesen. Mehr als die Verhundertfachung war das Ergebnis.

Ähnliches machte der von vielen heute noch verehrte „Börsenguru“ Jahrzehnte später nochmal. Als Michael Gorbatschow „Glasnost“ und „Perestroika“ im Sowjetreich ausrief, setzte er darauf, das Russland, die alten noch vom Zarenreich begebenen Anleihen zumindest irgendwie regeln würde. Denn die Russen hatten ihre Schulden stets beglichen, nur die des Zaren wurden nach der Revolution nicht anerkannt.

Der Preis für die Papiere wurde nicht in Stück, sondern in Kilo berechnet, so wenig waren sie wert. Auch hier bekam der Börsenfuchs Recht. Natürlich konnte nicht zum Nennwert inklusive Zinsen zurückgezahlt werden, aber es gab eine Abfindung, die ebenfalls ein Vielfaches seines Kaufpreises betrug.

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