Und täglich grüßt das Murmeltier

Stefan Riße · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Es ist an den Märkten geradezu wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“, in dem der arme Bill Murray in einem verschlafenen Kaff immer wieder an ein und dem selben Tag morgens aufwacht und er sich in einer endlosen Schleife zu befinden scheint, aus der es kein Entkommen mehr gibt. Auf die Aktienbörsen übertragen waren wir gestern wieder am morgendlichen Startpunkt. Dieser beginnt jeweils mit neuen Rekordkursen. Diese werden in den dann kommenden Tagen noch ein wenig weiter nach oben geschoben, bis es durch Gewinnmitnahmen einen etwas größeren Rückschlag von ein, zwei Prozent gibt. Sofort wittern die Bären dann ihre Chance und setzen auf fallende Kurse. Diese Verkäufe drücken die Preise dann noch etwas nach unten und es passiert ein paar Tage nichts. Die Pessimisten warten auf weitere Kursverluste, doch die wollen sich nicht einstellen, selbst wenn die Nachrichten über geopolitische Spannungen, eine zu erwartende restriktivere Gangart in der US-Geldpolitik oder schwache Konjunkturdaten aus China dazu Anlass geben. Daraufhin werden die ersten Bären nervös und beginnen ihre Shortpositionen einzudecken. Das lässt die Kurse langsam ansteigen, ohne erkennbaren fundamentalen Grund. Die steigenden Kurse ziehen dann weitere Short-Eindeckungen nach sich und Käufer an, die schon lange diese Rallye verpasst haben und das Handtuch werfen, um den Kursen nicht noch weiter hinterherzulaufen. Diese Mixtur führt zu einem immer schnelleren Anstieg, bis wir wieder Rekordkurse sehen – gern am ersten Freitag im Monat, wenn die US-Arbeitsmarktdaten bekannt gegeben werden. Gestern am Donnerstag wegen des heutigen Unabhängigkeitstages in den USA.

Der Siegeszug der Aktie war holprig

Seit Jahren lag es auf der Hand, dass die Aktien eigentlich deutlich steigen müssten. Immer weiter sinkende Zinsen hatten ihre Attraktivität mehr und mehr erhöht. Eine Dividendenrendite im DAX, die knapp drei Mal so hoch ist wie die zehnjähriger Staatsanleihen. Das hatte es noch nie gegeben. Nicht wenige Experten rieten deshalb zur Aktie als die bessere Alternative und das bereits seit einigen Jahren. Dennoch verlief der Aufschwung seit März 2009 mit deutlichen Rückschlägen. Da gab es den Flashcrash im Frühjahr 2010, Fukushima im Frühjahr 2011, dann den scharfen Einbruch im Sommer 2011 und auch 2012 und noch im Juni 2013 gab es empfindliche Rückschläge. Aktien sind Risikopapiere. Das wurde einmal mehr klar und deshalb schreckte der für seine Risikoscheu bekannte deutsche Anleger nach den Crasherfahrungen 2000 und 2008 zurück. Der Glaube an den unwiderruflichen Siegeszug der Aktie wurde mit jedem Rückschlag erschüttert und galt daher allgemein nicht als ausgemachte Sache.

Die Rallye muss beliebt sein, bevor es wirklich runter gehen kann.

Langsam setzt sich mit der Bestätigung durch die steigende Kurse aber zunehmend die Erkenntnis durch, dass die Aktienoptimisten Recht hatten. Seit mehr als einem Jahr gab es keinen nennenswerten Rückschlag mehr, allenfalls Korrekturen. Der letzte scharfe Einbruch ist rund drei Jahre her. Viele Anleger warten daher nun sehnsüchtig auf tiefere Kurse, um beseelt von der neuen Überzeugung nun auch an den Aktiengewinnen zu partizipieren. Doch nun will ein größerer Rückschlag einfach nicht kommen. Im Gegenteil, die Kurse laufen immer weiter davon. Die Rallye wird deshalb auch als die verhassteste Rallye aller Zeiten bezeichnet. Solange sie so verhasst ist, werden wir die oben beschriebene Dauerschleife wohl auch noch nicht verlassen. Erst muss die Rallye beliebt sein und noch mehr Bären das Handtuch geworfen haben. Dann kommt der echte Einbruch. Auch bei Bill Murray ist das so. Erst als der Zyniker sich ernsthaft verliebt, springt am nächsten Morgen das Datum nicht wieder um einen Tag zurück und sein Leben geht weiter und nun auch noch mit von Liebe erfüllter Zweisamkeit.

Neueste exklusive Artikel