Unvorstellbar viel Geld für eine Idee

Holger Scholze · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Der große Traum

Haben Sie auch schon einmal davon geträumt, etwas Großes zu erfinden oder eine ganz neue Geschäftsidee zum Erfolg zu führen? Sie könnten Ihr eigener Chef sein und die Verantwortung für viele Mitarbeiter tragen. Und vielleicht würde Ihr neues Produkt dann auch weltweit bekannt werden.

Es funktioniert

Stellen Sie sich doch einfach einmal vor, es wäre Ihnen geglückt:
Ja, Sie haben es endlich geschafft, eine geniale Geschäftsidee in die Tat umzusetzen. Ihr kleines Unternehmen läuft erfolgreich an und gewinnt immer mehr Kunden hinzu. Die Zahl Ihrer Mitarbeiter wächst. Bald sind fünfzig Menschen bei Ihnen beschäftigt. Und Sie führen die Firma behutsam weiter. Denn Ihr Budget ist bescheiden. Sie lassen sich trotzdem nicht durch übertriebene Vorschläge anderer Leute irritieren, um in kürzester Zeit maximalen Profit zu generieren, sondern handeln solide und nachhaltig. Die persönlichen Daten Ihrer Kunden interessieren Sie ebenso wenig wie die Möglichkeit, die Finanzierung durch Werbepartner aufzustocken. Sie sind zufrieden mit dem, was Sie aufgebaut haben. Das klingt doch wunderbar, nicht war?

Die junge Firma wird zum großen Star

Und auf einmal bekommt Ihr Projekt eine ganz besondere Dynamik. In kurzer Zeit erobern Sie tatsächlich die ganze Welt. Das funktioniert deshalb, weil Sie im Zeitalter der Kommunikation auf einen ganz bestimmten Service gesetzt haben. Sie wollten den Nutzern von Smartphones eine Alternative bieten, um etwas kostengünstiger und komfortabler Nachrichten miteinander auszutauschen. Ja sogar Fotos, Audio-Dateien oder kleine Filme können mit Ihrem Dienst gesendet werden. Alles geht einfach, schnell und unkompliziert. Und die Menschen finden das toll. In Windeseile wird Ihr Produkt weltweit von mehr als 450 Millionen Menschen genutzt, siebzig Prozent davon schauen sogar täglich vorbei. Das ist ja verrückt! Zumal jeden Tag eine Million neue Nutzer hinzukommen. Und das alles steuern Sie mit Hilfe Ihrer fünfzig Mitarbeiter. Effizienter geht es kaum.

Wir sind auch dabei

Ja, ich gebe es gerne zu, auch ich bin ein großer Fan Ihres Unternehmens geworden und nutze Ihren Dienst fast täglich. Erst am vergangenen Sonntag habe ich die kleine - für die Nutzung Ihres Services notwendige - Applikation voller Begeisterung auf das Smartphone meines Vaters geladen, damit ich mit ihm noch leichter kommunizieren kann. So rücken wir immer näher zusammen, auch wenn wir durch meine beruflichen Reisen manchmal hunderte Kilometer voneinander entfernt sind. Mein Vater wird im März 82 Jahre alt, doch in technischen Fragen war er schon immer mit dem Ohr am Puls der Zeit. Die Bedienung der App war für ihn ein Klacks. Stolz schicke ich Fotos von meinen Erlebnissen und er zeigt sie dann gleich meiner Mutter. Herrlich!

Das große Angebot

Allein in Deutschland nutzen dreißig Millionen Menschen Ihren Service. Weltweit werden 18(!) Milliarden Kurznachrichten mit Ihrer App versendet. Es ist kaum zu glauben.

Doch bald sind Sie auch in den Fokus großer Unternehmen und ihrer Chefs geraten. Einerseits, weil Sie als Konkurrent unbequem werden könnten und andererseits, weil andere Ihre Firma am liebsten besitzen würden.

Einer dieser ganz großen Chefs nimmt Kontakt zu Ihnen auf. Vielleicht ja sogar über Ihren eigenen Kurznachrichtendienst. Das wäre doch lustig! Und jetzt halten Sie sich fest: Er bietet Ihnen 13,8 Millionen Euro an. In seiner Währung wären das 19 Millionen Dollar. Sie fragen dreimal nach. Doch das Angebot wird immer wieder bestätigt: 19 Millionen Dollar! Das ist ja so verführerisch, denken Sie sich bestimmt. Zumal auch für Ihre Mitarbeiter ein ganzer Batzen davon vorgesehen ist. Also willigen Sie ein. Oder nicht?

Doch halt! Die Summe ist so unvorstellbar groß, dass Sie zur Sicherheit noch einmal nachfragen. Zu stark ist die Aufregung. Und wegen der vielen Nullen, ist jetzt schließlich Besonnenheit gefragt!

Verflixt! Kann das wirklich wahr sein? Oh mein Gott... Ja! Sie haben sich tatsächlich verhört. Kein Wunder, bei dieser Summe. Doch in Wirklichkeit geht es nicht um 19 Millionen Dollar. Es geht um viel, viel mehr Geld. Es geht um das Tausendfache, um 19 Milliarden Dollar! Das sind 13,8 Milliarden Euro.

„Ich werd’ bekloppt! Das ist ja irre“, denken Sie. Und wahrscheinlich ist es das auch. Deshalb sollten wir aus diesem Traum lieber schnell erwachen...

Vom Traum zur Wirklichkeit

Natürlich haben Sie den Hintergrund dieser Geschichte längst zuordnen können. Denn bei den Gründern von WhatsApp muss es ganz ähnlich abgelaufen sein. Und nun bekommen diese für den Verkauf Ihres Unternehmens eine solch gigantische Summe.

Natürlich kam das Angebot von Facebook. Das weltgrößte Online-Netzwerk hat selbst momentan rund 1,2 Milliarden Nutzer. Für die Firma von Mark Zuckerberg ist es aber mit Abstand die größte Übernahme ihrer Geschichte. Facebook zahlt vier Milliarden Dollar in Bar und legt eigene Aktien im Wert von zwölf Milliarden Dollar obendrauf. WhatsApp-Miterfinder und -Firmenchef Jan Loum rückt zudem in den Verwaltungsrat von Facebook auf. Später sollen dann weitere drei Milliarden Dollar in Sonderaktien an Gründer und Mitarbeiter von WhatsApp übertragen werden.

Die Phantasie des Käufers

Mark Zuckerberg begründet seine Kauflust mit den Worten: "WhatsApp ist auf dem Weg, eine Milliarde Leute miteinander zu verbinden.“

Es ist durchaus nachvollziehbar, dass er die Popularität seines eigenen Unternehmens vor allem bei jungen Nutzern steigern möchte und der SMS-Dienst für ihn deshalb sehr wertvoll ist.

WhatsApp schlug die eigene Erfolgswelle mit einem schmalen Budget und nur fünfzig Mitarbeitern los. Man finanzierte sich anfangs über den Kaufpreis für die App und zuletzt über eine jährliche Abo-Gebühr von einem Dollar.

Aus strategischer Sicht mag der Schritt für Mark Zuckerberg sinnvoll sein. Und natürlich wird sich dieses Genie auch etwas dabei gedacht haben.

Ein sehr stolzer Preis

Aber ist - bei aller Bewunderung - in diesem Fall ein Kaufpreis von 19 Milliarden Dollar wirklich gerechtfertigt?

Zum Vergleich: Für den Fotodienst Instagram hatte Facebook kurz vor seinem Börsengang gerade einmal eine Milliarde Dollar auf den Tisch gelegt. Und mit dem Börsengang vor weniger als zwei Jahren nahm Facebook 16 Milliarden Dollar ein. Natürlich wurde nur ein Teil der Aktien platziert. Aber dennoch erscheint der Preis für WhatsApp auch vor diesen Hintergründen exorbitant hoch zu sein.

Bei Facebook handelt es sich immerhin um ein komplexes soziales Netzwerk mit vielen Funktionen und bei WhatsApp um eine reine Nachrichten-Anwendung. Natürlich geht es um die Nutzer. Doch diese könnten ihre Gewohnheiten schnell ändern, wenn sich die WhatsApp-Anwendung künftig zu stark verändern sollte. Allerdings hat Mark Zuckerberg versprochen, dass WhatsApp zunächst als eigenständiges Unternehmen mit seinen bekannten Diensten erhalten bleiben solle. Wir dürfen gespannt sein.

Wie reagieren die Anleger?

Interessant wird aber vor allem auch die Reaktion der Börsianer sein. Die Facebook-Aktie ging am Mittwoch mit einem Schlusskurs von 49,47 Euro (68,02 Dollar) aus dem Handel an der Börse Stuttgart. An der Wall Street schloss das Papier vor Bekanntgabe des Deals mit 68,06 Dollar. Der Facebook-Aktie dürften nun jedoch einige aufregende Tage bevorstehen...

Ihr Holger Scholze

Neueste exklusive Artikel