Vor EZB-Sitzung: Preise fallen trotz Geldschwemme weiter

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Die Inflation will einfach nicht anziehen. Notenbanker dürfte das auf ihrer Sitzung an diesem Donnerstag Kopfzerbrechen bereiten. Es gibt aber auch erste Erfolge der EZB-Geldpolitik.

Trotz der anhaltenden Geldflut der Europäischen Zentralbank (EZB) fallen die Preise in der Euro-Zone weiter.Waren und Dienstleistungen kosteten im Mai durchschnittlich 0,1 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Vor allem Energie verbilligte sich um 8,1 Prozent und drückte damit die Lebenshaltungskosten. Auch in Deutschland halten die günstigen Energiepreise die Teuerung im Keller. Im Mai lagen die Verbraucherpreise gerade einmal um 0,1 Prozent über dem Vorjahresniveau.

Verbraucher profitieren zwar von den gesunkenen Energiepreisen, weil sie günstiger tanken und heizen können. Den Währungshütern der EZB jedoch bereitet die seit Monaten extrem niedrige Inflation im Euroraum Sorge. Denn dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise gelten als Risiko für die Konjunktur. Unternehmen und Verbraucher könnten Anschaffungen aufschieben, weil sie erwarten, dass es bald noch billiger wird.

Vor dem Hintergrund der geringen Teuerung hatte die Zentralbank erst im März die geldpolitischen Schleusen weiter geöffnet. Der Leitzins wurde auf null gesetzt, die Strafgebühren für die bei ihr geparkten Einlagen der Banken erhöht und der Kauf von Wertpapieren auf ein Volumen von 80 Milliarden Euro pro Monat ausgedehnt.

Zuletzt beschleunigten die Währungshüter zudem das Tempo ihrer umstrittenen Anleihenkäufen. In der Woche bis zum 27. Mai nahm die EZB Staatspapiere im Umfang von 19,3 Milliarden Euro in ihre Bücher. In der Woche zuvor waren es 16,9 Milliarden Euro. Damit erwarben die Währungshüter bislang Titel der Euro-Länder im Volumen von 799,4 Milliarden Euro. Insgesamt sind bis Ende März 2017 Käufe im Volumen von 1,74 Billionen Euro geplant, was Pfandbriefe, Hypotheken-Titel und Regional-Anleihen einschließt.

Mit den Ankäufen möchten die Währungshüter dafür sorgen, dass die Anleihezinsen am Markt sinken, wodurch die Titel für Banken als Investment an Attraktivität verlieren. Stattdessen sollen sie mehr Kredite an Firmen und Haushalte ausreichen, was der Konjunktur zugutekäme. Erste Erfolge sind mittlerweile erkennbar. Ausgehend von einem niedrigen Niveau erholte sich die Kreditvergabe zuletzt.

Im April vergaben die Banken in der Eurozone 1,2 Prozent mehr Darlehen an nicht zur Finanzbranche zählende Firmen als vor Jahresfrist. Das ist der stärkste Anstieg seit November 2011. Im März hatten sie noch 1,1 Prozent mehr Kredite an Unternehmen ausgehändigt. An private Haushalte wurden 1,5 Prozent mehr Kredite vergeben, etwas weniger als im März.

Obwohl die Kreditvergabe anzieht, zeigen die geldpolitischen Maßnahmen der EZB nach Einschätzung von Beobachtern allerdings noch nicht den gewünschten Erfolg. “Eine nachhaltig höhere Inflation ist nicht in Sicht. Deshalb bleibt eine weitere geldpolitische Lockerung der EZB zum Jahresende auf der Agenda”, meint Ökonom Christoph Weil von der Commerzbank.

Warum sich die Preissteigerungsrate trotz des billionenschweren Anleihenkaufprogramms nicht dem Ziel von rund zwei Prozent annähert, dürfte daher auch Thema auf der Ratssitzung der EZB an diesem Donnerstag in Wien sein. Notenbank-Präsident Mario Draghi war jüngst in Deutschland wegen der Geldpolitik ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Banken beklagen, dass ihnen Erträge aus dem Zinsgeschäft wegbrechen. Unionspolitiker haben die Bundesregierung aufgefordert, auf eine Änderung der Geldpolitik zu dringen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hält die Geldpolitik der Zentralbank mit Blick auf Deutschland für nicht immer günstig. Man müsse sehen, dass “die EZB eine Politik betreiben muss in einer Währungsunion für alle 19 Mitgliedsländer, die für Deutschland nicht die optimale Geldpolitik ist”, sagte er am Montag. Dennoch sei es wichtig, dass es solche unabhängigen Institutionen wie die EZB gebe.

OnVista/dpa-AFX/Reuters
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