Währungs-Darwinismus: Je schwächer, desto stärker?

Robert Halver · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Es gab sie einmal, die Währungssysteme mit stabilen Wechselkursen: Das Bretton-Woods-System und das Europäische Währungssystem (EWS). Bei beiden Systemen waren die Währungspaare nicht mit komplett fixierten Wechselkursen ausgestattet, sondern konnten - um z.B. länderspezifischen Wachstumsunterschieden und Leistungsbilanzentwicklungen Rechnung zu tragen - innerhalb festgelegter Grenzen atmen. Darüber hinaus gehende Über- oder Unterschießungen und damit große Wechselkursrisiken wurden durch die beteiligten Notenbanken durch Währungskäufe bzw. -verkäufe konsequent verhindert. Dieser Währungsverbund machte aus den beteiligten Notenbanken Bruderschaften der gegenseitigen Fairness. Denn selbstsüchtige Abwertungsbemühungen hatten keine Chance. 

Bis zuletzt gab es immerhin zwischen dem Schweizer Franken und dem Euro sozusagen ein Bretton Woods oder EWS für Arme, bei dem die Schweizer Notenbank (SNB) über Euro-Währungsstützungen Aufwertungen des Frankens unterhalb von 1,20 vereitelte. Diesen geldpolitischen Automatismus musste die vergleichsweise kleine SNB jedoch einstellen, da die deutlich größere EZB eine machtvolle Euro-abwertende Geldpolitik betreibt. Gegen die EZB kann die SNB einfach nicht anstinken.

Internationale Geldpolitik - Jeder ist sich selbst der nächste

Daher gibt es seit dem 15. Januar 2015 für kein Währungspaar der Industrieländer ein Leitplankensystem mehr. Die Wechselkurse sind dem freien Spiel der Marktkräfte ausgesetzt. Und wer hat die meiste Kraft an den Währungsmärkten? Richtig, die Notenbanken. Und was tun die Notenbanken? Sie betreiben keine gemeinsame faire Geldpolitik mehr, sondern eine Art nationalen Darwinismus: Jede Notenbank will die eigene Währung gegenüber anderen möglichst schwächen, um die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Exportindustrie zu stärken.

Schon der Blick auf die internationalen Notenbankzinsen verrät diese Ichsucht: Sie sind entweder unten oder werden gesenkt, wohl wissend, dass je geringer die Zinsen sind, desto uninteressanter auch Anlagen in diesen Währungen sind. Die Schweiz hat hier den Vogel abgeschossen: Mit minus 0,75 hat kein anderes Land niedrigere Notenbankzinsen.

Aus dem Währungsabwertungskrieg zwischen Japan und der Eurozone

Währungsabwertende Bedeutung kommt neben der Zins- vor allem der Liquiditätspolitik zu. Das Instrument der Staatsanleiheaufkäufe setzt Japan seit April 2013 mit Schmackes ein. Und tatsächlich, über die renditesenkende Wirkung der japanischen Liquiditätsblähungen hat der handelsgewichtete Yen deutlich nachgegeben.

Aber auch unser Notenbankpräsident Mario Draghi schaut nicht mehr einfach nur zu, wie Japan der Euro-Exportwirtschaft Knüppel zwischen die Beine wirft. Auch die EZB setzt jetzt tatsächlich auf Aufkäufe von Staatspapieren. Nennen wir die Aktion QEE: Quantitative Easing Eurozone. Damit hat das Namenskürzel der EZB jetzt die Bedeutung: Einer Zahlt Bonds. Dass die EZB damit ihre letzten Stabilitätshüllen verliert und dann in ihrer nackten Schönheit vor uns steht, scheint sie nicht weiter zu stören. Immerhin betreiben die anderen Notenbanken schon länger stabilitätspolitische Freikörperkultur.

Kommt hierbei nicht ein grandioses Alibi von den sinkenden Energiepreisen, die die  Eurozone in die Deflation gedrückt haben? Denn ist es nicht jetzt nicht die heilige Pflicht der EZB, Deflation - also das Grundübel einer jeden Volkswirtschaft - zu verhindern?

Wie auch immer, die allgemeine Erwartung von QEE hat den Euro gegenüber dem Yen bereits abwerten lassen.

Das alarmiert Japans Notenbanker. Japan wird seine Handelsbilanz nicht durch eine Yen-Aufwertung gegenüber Euro in Gefahr bringen wollen. Die Bank of Japan wird der EZB den Währungs-Fehdehandschuh hinwerfen. Beide Notenbanken werden sich gegenseitig mit Anleiheaufkäufen hochschaukeln.

könnte ein Währungsabwertungsweltkrieg werden
Sollten zum Schluss beide Währungen gemeinsam gegenüber anderen Exportwährungen abwerten, werden auch Chinesen, Inder, Schweden, Südkoreaner, Schweizer, Briten - die außenhandelsseitig ebenso einiges zu verlieren haben - auch in den liquiditätspolitischen Abwertungswettlauf eintreten, der dann zum Währungsabwertungsweltkrieg würde. 

Leidtragender im Sinne einer Währungsaufwertung ist der US-Dollar. 

Denn Amerika hat sein Anleiheaufkaufprogramm im letzten Jahr eingestellt und denkt über die Leitzinswende nach. Dies würde allerding der erklärten Absicht Amerikas, wieder eine ordentliche Industrie- und Exportnation zu werden, entgegenlaufen. Vor diesem Hintergrund wird Frau Yellen keine scharfe Zinswende vollziehen. Das eigene Export-Hemd ist der Fed näher als der internationale Export-Rock.

Und die Moral von der Geschicht

Wenn alle ihre Währung zum Zwecke der Exportstützung mit dem vollen Instrumentarium des geldpolitischen Handwerkskastens schwächen wollen, kann keine Währung wirklich abwerten.

Immerhin hat der Währungsabwertungsweltkrieg eine sehr schöne friedliche Botschaft: Die Aktienmärkte werden sich über die fortgesetzte Liquiditätshausse freuen. Sie ist ein Marathonläufer. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann läuft sie auch noch morgen.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG:
http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128 Hinzufügen

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