Wenn der Fuchs ängstlicher wird als der Dax

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr

Hallo, Leute!  Treffe ich doch total überraschend Jochen B., einen alten Kumpel von der Oberstufe des humanistischen Gymnasiums (dann abgebrochener Soziologiestudent, jetzt arbeitslos, Hartz 4), mit dem ich mich schon als Schüler dauernd gezofft habe - es ging meistens um Politik. Jochen war immer links, gegen alles Etablierte und dabei heftig und aggressiv - ich dagegen der bürgerliche Gutmensch, stets optimistisch und gegen Extreme. Hier nur der Anfang des Dialogs kurz nach der durchaus herzlichen Begrüßung: „Na, Du Kapitalistenknecht, unterstützt Du immer noch die Ausbeuter, Steuerhinterzieher und Betrüger?“ Seine Mimik war wie früher vom Frust verzerrt. „Und Du, Du wolltest doch immer abhauen, Richtung Osten - bist Du jetzt etwa ein Putin-Anhänger?“ Zu meiner Überraschung kamen wir diesmal schnell auf eine Linie: Der russische Präsident gefährdet den Frieden, die westlichen Führer durch ihre unsinnigen Sanktionen aber auch. Und wer sich in Europa nicht mehr sicher fühlt, sollte sich am besten nach Australien verdrücken (worüber Jochen auch nachdenkt).

Die Begegnung beschäftigte mich den ganzen Tag. Und gestern Abend am PC lese ich einen Bericht vom Brüsseler Gipfel: Vor Beginn der eigentlichen Gespräche berieten sich die Gipfelteilnehmer mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz - und der konfrontierte sie mit drastischen Befürchtungen: „All diejenigen, die geglaubt haben, Krieg oder Kriegsgefahr wären kein Thema mehr, sehen sich eines Besseren belehrt”, sagte der Sozialdemokrat. „Wir reden vom Risiko eines bewaffneten Konflikts.”

Hey, ich weiß nicht, wie Ihr das seht. Aber kann man bei genauem Hinsehen, was da zwischen Ost und West so abgeht, wirklich so cool bleiben wie die Börsianer? Ganz ehrlich: Mir will nach diesem Tag trotz sommerlicher Frühlingssonne keine konkrete Verhaltensempfehlung einfallen. Wenigstens fällt mir ein, was ein Kabarettist schon vor Jahren in einer ernsten Sequenz ins Publikum rief: Die Globalisierung verhindert Kriege, denn wer schmeißt schon seinem Nachbarn Bomben aufs Dach, wenn er damit seine eigenen Wirtschaftsbeziehungen zerstört? Jo. Nur gut, dass wir inzwischen „kapitalistisch“ eng verflochten sind. Deshalb macht es nach wie vor Sinn, sich am Produktivkapital  einer Volkswirtschaft zu beteiligen (es müssen ja nicht gleich russische Aktien sein).

Trotz aller Sorgen: Freunde, wir werden nicht untergehen - auch nicht der Dax.

boersenfuchs@onvista.de

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