Wer weiß, wo’s langgeht?

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo Leute! Spricht mich gestern ein Nachbar unwirsch an, der sich selbst als „kritischer Anleger“ charakterisiert, ob ich denn wisse, wo’s langgeht. Der Mann hat sich ziemlich geärgert („Nicht zum ersten Mal“) über Janet Yellen, weil er nach deren Rede in Jackson Hole auch nicht mehr weiß als vorher. Außerdem über die „blöden Analysten“, die einen dauernd verrückt machen mit Ankündigungen und Prognosen. Und dann stimmen die meistens nicht. An allem seien aber die Medien dran schuld, weil die „die Dinge unnötig aufbauschen“.  Ich halte alle möglichen Argumente dagegen, doziere u. a. über die Folgen der Globalisierung, die neue Rolle der Notenbanken und überforderte Börsianer. Das Gespräch endete für beide Seiten schon deshalb unbefriedigend, weil auch ich meinem Nachbar nicht zuverlässig sagen konnte, wo es jetzt langgeht.

Vielleicht schicke ich ihm den heutigen Morgenkommentar von Ulrich Stephan, dem ehrenwerten Chef-Anlagestrategen der Deutschen Bank (hier Auszüge): „Als ich am Freitag die Rede von Fed-Chefin Janet Yellen hörte, überkam mich ein Déjà-vu: Bereits im Frühjahr dieses Jahres deuteten erst ihre Kollegen im Offenmarktausschuss Zinserhöhungen an, dann Yellen selbst - ohne konkrete Folgen im Juni. Kommt es diesmal anders? Die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed die Zinsen im September, zumindest aber im Dezember anhebt, hat Yellen mit ihrer Rede erst mal verstärkt. Erhöhte sie nicht, würde das womöglich die allgemeine Skepsis, mit der die Fed trotz ihrer erfolgreichen Arbeit beäugt wird, stärken. Ich weiß nicht, ob das an ihrer entrückten Sprache liegen mag, mit der sie die Menschen offenbar nicht erreicht, oder schlicht daran, dass sich die Sparer über niedrige Zinsen nun mal ärgern?“

Wohl formuliert! Aber weiß die Notenbank-Chefin der Amis selbst, was sie will und wann sie es machen wird? Mit Sicherheit weiß sie und berücksichtigt das in ihren Äußerungen, dass die Fed die Welt-Finanzmärkte bewegen und schlimmstenfalls sogar heftige Turbulenzen auslösen kann.

Wie dem auch sei, jeder von uns kommt nicht dran vorbei, sich selbst eine Meinung zu bilden und danach zu handeln. Wer (wie ich) von der besonderen Qualität der Aktie als langfristige Aktienanlage überzeugt ist, braucht nicht an den Lippen prominenter Notenbanker zu kleben, muss auch nicht die Flut täglicher Meinungsäußerungen bewältigen. Auf Dauer ist es aber sicher kein Fehler, die Kurstrends zu beobachten und die Entwicklung der Unternehmen kontinuierlich zu verfolgen, um die es geht - also die Geschäfte und Gewinne der börsennotierten Aktiengesellschaften.

Ach ja, zum Schluss hat mein Nachbar noch gefragt, was ich von einem Crash-Propheten halte, der Furcht erregend online wirbt. U. a. heißt es dort: „Währungs-Kollaps. Wirtschafts-Crash. Chaos in den Straßen. Wir stehen vor dem Zusammenbruch des weltweiten Finanz- und Wirtschafts-Systems. Sie, Ihre Angehörigen und Ihr Besitz sind in höchster Gefahr. Aber: Europas Krisen-Experte Nr.1 bringt Sie sicher durch  die Katastrophe! Nutzen Sie ab sofort den neuen Newsletter von …“ Ich kenne die Werbung. Sollte man auch kennen, denn der Mann ist ja Europas Krisenexperte Nr.1! Was ich davon halte, habe ich meinem Nachbarn durch  Mimik und Gestik gezeigt.

 Post an den Börsenfuchs: boersenfuchs@onvista.de

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