Bayer: Wer nicht hören will, muss fühlen – US-Richter und Anleger verpassen den Leverkusenern einen Glyphosat-Denkzettel

onvista · Uhr

Es gab wirklich genügend Anzeichen und der amerikanische Richter Vince Chhabria hat im Vorfeld mit mehr als einem Zaunpfahl gewunken, dass er die vorgeschlagene Lösung von Bayer so nicht akzeptieren werde. In Leverkusen wollte man die Warnzeichen wohl nicht hören und hat schon etwas stur versucht seinen Willen durchzusetzen. Die Kopf im Sand-Taktik ist allerdings nicht aufgegangen und dafür bekommt die Bayer-Aktie heute die Quittung. Mit einem Minus von mehr als 4 Prozent liegt das Papier heute klar am Dax-Ende.

Bayer hat es endlich verstanden 

Der US-Glyphosat-Rechtsstreit des Dax-Konzerns geht nach einer Gerichtsschlappe in eine neue Runde. Nachdem der zuständige Richter einem wichtigen Puzzlestück erneut eine Absage erteilt hat, versucht der Agarchemie- und Pharmakonzern das Risiko künftiger Klagen nun auf einem anderen Weg zu handhaben. „Die Entscheidung macht es unmöglich, den vorgeschlagenen nationalen Lösungsmechanismus unter der Aufsicht dieses Gerichts weiterzuentwickeln“, hieß es dazu von Bayer in der Nacht auf Donnerstag. Mit einem Fünf-Punkte-Plan will Konzernchef Werner Baumann die Sache nun endlich in den Griff bekommen.

Das Problem ist so nicht lösbar

So lehnte Richter Vince Chhabria am Mittwoch einen Antrag zum Umgang mit künftigen Klagen ab. Der angestrebte Kompromiss für insgesamt zwei Milliarden US-Dollar hätte einen Schlussstrich unter das rechtliche Glyphosat-Debakel ziehen sollen. Der nun geplatzte Deal war Teil eines Gesamtpakets von mehr als elf Milliarden US-Dollar, in dessen Rahmen Bayer schon viele bestehende Klage beigelegt hat.

Chhabria monierte, dass der Lösungsvorschlag für die Nutzer des glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup unangemessen sei, die derzeit noch nicht an einem Non-Hodgkin-Lymphom – also einer Krebserkrankung des lymphatischen Systems – leiden. Diese Entscheidung kommt wirklich nicht überraschend. Bereits im Vorfeld der Verhandlung hatte der US-Richter schon mehr als angedeutet, dass er den Planungen von Bayer nicht zustimmen wird. In Leverkusen hatten man wohl bis zuletzt gehofft, dass Chhabria seine Meinung noch einmal ändert. Dem war aber nicht so und endlich fängt Bayer an umzudenken.

Neuer Weg in Planung

Der Dax-Konzern will nach der erneuten Schlappe nun einen anderen, eigenen Weg beschreiten. So lasse der Beschluss von Chhabria „keinen anderen Schluss zu, als dass das Gericht den Lösungsmechanismus nicht ohne weitere erhebliche Änderungen genehmigen wird“, sagte Baumann am Donnerstag bei einer Telefonkonferenz mit Analysten und Journalisten. Kurz darauf nannte der Bayer-Chef dann auch wohl den Grund, warum sich Bayer bis Mittwoch taub gestellt hatte. „Diese Änderungen sind nicht im Interesse von Bayer.“ Am geplanten Kostenrahmen von zwei Milliarden Dollar soll sich aber erst einmal nichts ändern. Die entsprechenden Rückstellungen bleiben in ihrer Höhe bestehen.

Minimierung von Rechtsrisiken ist das Ziel

Mit den nun vorgestellten Maßnahmen will das Management die Risiken durch mögliche weitere Klagen eindämmen. Bayer betonte dabei, es gehe allein um die Minimierung von Rechtsrisiken. Bedenken in Bezug auf die Sicherheit der Produkte gebe es weiterhin nicht. So habe die US-Umweltbehörde EPA erst letzte Woche bei einem US-Berufungsgericht eine Stellungnahme eingereicht, in der sie bestätigt habe, dass von Glyphosat „keine bedenklichen Risiken für die menschliche Gesundheit ausgehen“.

Bayer plant eine Internetseite mit wissenschaftlichen Studien zu Glyphosat-basierten Produkten und will – mit Genehmigung der US-Umweltbehörde EPA – einen entsprechenden Hinweis auf Roundup-Produkten anbringen. Gleichzeitig erwägt Bayer, solche Produkte nicht länger an US-Privatkunden zu verkaufen, „da die ganz überwiegende Mehrheit der Kläger (…) behauptet, Roundup-Produkte für Privatzwecke verwendet zu haben.“ Das viel größere Geschäft etwa mit Landwirten wäre davon nicht betroffen. Wie lange die EPA für eine Entscheidung brauchen wird, lasse sich indes nicht sagen, erklärte Bayer-Agrar-Chef Liam Condon in der Telefonkonferenz.

Zudem geprüft Bayer, wie ein unabhängiges wissenschaftliches Beratungsgremium eingerichtet werden könnte, in dem externe Experten die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Sicherheit von Roundup überprüfen. Die Ergebnisse würden dann im Internet veröffentlicht.

Auch könnte sich das Vorgehen bei bereits vorliegenden Klagen ändern, nachdem der Konzern inzwischen rund 96 000 Fälle im Rahmen des Mitte 2020 vorgestellten umfassenden Vergleichs endgültig beigelegt hat. Grundsätzlich solle sich auch bei den ausstehenden Klagen gütlich geeinigt werden, doch könne regelmäßig geprüft werden, „ob dieser Ansatz noch im besten Interesse des Unternehmens ist.“

Inwieweit Bayer hier die Taktik ändern wird, dürfte auch vom Ausgang der noch laufenden Berufungsverfahren in zwei Glyphosat-Prozessen (Hardeman und Pilliod) abhängen, die der Konzern nach Niederlagen in den bisherigen Prozessen weiter vorantreiben will. Manager Baumann verweist zudem auf die Berufung im Fall Carson. Auch dabei geht es um die grundsätzliche Frage, ob das Recht einzelner Bundesstaaten mit Blick auf angeblich unzureichende Produktwarnungen Bestand hat, wenn das bundesstaatliche Recht etwas anderes sagt. Wichtig wird hier die Entscheidung des obersten US-Gerichts, des US Supreme Court, werden. Die wird Mitte kommenden Jahres erwartet.

Mitte kommenden Jahres?

Sollte Bayer wirklich einen Vergleich bis zu diesem Zeitpunkt herausschieben, dann dürften sicherlich noch einige Anleger die Geduld mit der Aktie verlieren. Daher ist die Aktie aktuell nur für Investoren geeignet die wirklich ein dickes Fell und viel Geduld mitbringen.

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Von Markus Weingran / dpa-AFX

Foto: Homepage Bayer

 

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