OTS: Börsen-Zeitung / Geplatzte Träume, Kommentar zu Bayer von Annette Becker

dpa-AFX · Uhr
    Geplatzte Träume, Kommentar zu Bayer von Annette Becker
Frankfurt (ots) - Wie gewonnen, so zerronnen. Bayer hat die am Dienstag
eingefahrenen Kursgewinne im Gefolge der guten Quartalszahlen einen Tag später
vollständig eingebüßt. Plötzlich sind die Glyphosat-Klagen wieder das
kursbestimmende Thema. Dabei hatten die Leverkusener so sehnlichst gehofft, nach
fast vier Jahren endlich einen Schlussstrich unter die Causa ziehen zu können.

Noch im Dezember hatte man frohlockt, weil der Oberste Gerichtshof in den USA
die beantragte Revision nicht in Bausch und Bogen verworfen, sondern bei der
US-Regierung eine Stellungnahme an­gefordert hatte. Bayer sah sich dadurch in
der eigenen Einschätzung bestärkt. Fünf Monate später sind die Träume jäh
zerplatzt. Der Solicitor General als Prozessvertreter der Biden-Regierung
empfiehlt dem Supreme Court, die beantragte Revision abzulehnen. Zwar liegt die
finale Entscheidung über Annahme oder Ab­lehnung der Berufung beim obersten­
Gericht, doch käme es einer faustdicken Überraschung gleich, sollte der Prozess
neu aufgerollt werden.

Vordergründig geht es um die Überprüfung des Urteils in einem einzigen Fall. In
dem war Bayer am Ende zu Schadenersatz von gut 25 Mill. Euro verurteilt worden.
Faktisch aber wollte Bayer erreichen, dass die gesamte Glyphosat-Thematik, die
schon Milliarden gekostet hat - allein 2021 wurden 4,3 Mrd. Euro für Vergleiche
gezahlt -, rechtlich neu bewertet wird. Danach sieht es nun erst einmal nicht
aus.

Das zieht nicht nur juristische Weiterungen nach sich, sondern auch pekuniäre.
Denn erst im vorigen Jahr musste Bayer die Rückstellungen für künftige Klagen um
4,5 Mrd. Dollar aufstocken, da der angedachte Vergleichsmechanismus für den
Umgang mit ebendiesen Klagen beim zuständigen Gericht durchgefallen war.

Zwar wird Bayer nun im nächsten Schritt keine weitere bilanzielle Vorsorge
treffen müssen, ist nach den Aussagen doch "absolut ausreichend vorgesorgt".
Gedanklich war das Geld jedoch schon verplant, hatten die Leverkusener doch fest
damit gerechnet, die Rückstellungen bei einem positiven Urteil auflösen zu
können.

Noch schwerer wiegt, dass die mit der Übernahme von Monsanto eingekauften
Rechtsrisiken einen nicht enden wollenden Aderlass bedeuten. Denn ohne
gerichtsfesten Vergleichsmechanismus können auch in fünf oder sechs Jahren noch
Klagen angestrengt werden. Die damit einhergehende Unsicherheit ist nicht nur
Gift für den Aktienkurs, sondern auch für die Weiterentwicklung des Konzerns.

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