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dpa-AFX · Uhr
    Rückenwind gesucht, Kommentar zu Volkswagen von Sebastian Schmid
Frankfurt (ots) - Andere Konzernchefs nehmen sich eine 100-Tage-Schonfrist, ehe
sie erste Ergebnisse zeigen wollen. Volkswagen-Chef Oliver Blume baut die
Konzernführung schon an Tag eins um. Der 54-Jährige verkleinert den Vorstand,
verteilt Kompetenzen neu und schafft eine bereichsübergreifende Führungsebene
unterhalb des Vorstands. Zudem stellte er einen Zehn-Punkte-Plan vor, der VW
schneller voranbringen soll. Blume scheint der Kritik, die Doppelfunktion als
Porsche- und Volkswagen-Chef könne ihn überfordern, gleich den Wind aus den
Segeln nehmen zu wollen.

Die neue Aufstellung, die den Markengruppen mehr Gewicht im Vorstand zukommen
lässt, ist Resultat des von Diess verlorenen Machtkampfs. Blumes Vorgänger
wollte die Autonomie der Marken beschneiden, nun wächst diese wieder. Es ist
daher kein Zufall, dass am Donnerstag auch mitgeteilt wurde, dass Porsche den
IT-Experten Sajjad Khan in den Vorstand berufen wird. Khan war bis vor einem
Jahr als Topmanager bei Mercedes für Software und Vernetzung zuständig. Dem
48-Jährigen war es wesentlich zu verdanken, dass sich das zu Anfang
problembeladene Infotainmentsystem MBUX zu einem der führenden in der Branche
entwickelt hat.

Porsche-Entwicklungschef Michael Steiner, der beim Sportwagenbauer bislang auch
die IT-Entwicklung verantwortet hatte, soll dafür die Entwicklung im
Gesamtkonzern auf der neuen bereichsübergreifenden Führungsebene unter dem
Vorstand verantworten. In der sind künftig auch Beschaffung und Vertrieb
(bislang im Vorstand) angesiedelt. Hinzu kommt die Produktion. Der Vorstand wird
also kleiner, die Konzernführung aber nicht weniger komplex.

Und die Herausforderungen bleiben. In China muss verlorener Boden wieder
gutgemacht werden. In der Elektromobilität wächst die Konkurrenz neben Tesla -
gerade im Reich der Mitte. Die Softwaretochter Cariad, die in die Verantwortung
von Diess fiel, hat nun Blume am Bein. Wie bei der Frage der Markenautonomie hat
der neue VW-Chef auch hier eine andere Idee als sein Vorgänger. Während Diess
möglichst alles selbst entwickeln wollte und damit gegen den Strom schwamm,
zeigt sich Blume offener für Partnerschaften - mit traditionellen Zulieferern,
aber auch Tech-Konzernen wie Apple.

Beim vollautonomen Fahren hatte Volkswagen bereits Anfang des Jahres eingelenkt
und eine Partnerschaft mit Bosch vereinbart. Nun dürften weitere Kooperationen
folgen. Auch wenn viele Analysten von den Erfolgsaussichten von Cariad nicht
überzeugt waren, hielten sie den Kurs dennoch für richtig. Wer die Kontrolle
über die zentrale Software abgibt, gibt riesiges Potenzial auf, so der Tenor.
Das gilt indes nur, wenn der Konzern auch in der Lage ist, dieses Potenzial zu
heben. Die Zweifel daran sind zuletzt eher gewachsen. Auch Blumes kraftvoller
erster Aufschlag ändert daran nichts. Der CEO braucht mehr als einen
Zehn-Punkte-Plan und eine neue Führungsstruktur. Eine Gelegenheit, zu beweisen,
dass er auch in Doppelfunktion liefern kann, winkt ihm allerdings schon. Bei
Cariad sind schnelle Erfolge zwar nicht zu erwarten. Aber vielleicht kann er
bald ein erfolgreiches Porsche-IPO vorweisen. Dieses dürfte den Rückenwind
geben, den man in Wolfsburg so lange vermisst hat.

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