Heiko Böhmer: Die Gewinnrezession ist schon da

Heiko Böhmer · Uhr
Quelle: everything possible/Shutterstock.com

In wenigen Tagen geht`s los mit der Bilanzsaison 2022. Das Thema Gewinnrezession rückt dabei in den Fokus. Auf breiter Front gehen die Gewinnschätzungen dies- und jenseits des Atlantiks aktuell zurück. Der Trend ist deutlich: Es geht abwärts mit den Gewinnen der Unternehmen.

Das ist keine große Überraschung, denn die massiven Belastungen im vergangenen Jahr haben ihre Spuren in den Bilanzen hinterlassen. Dazu zählen natürlich die Folgen der deutlich gestiegenen Inflation. Doch nicht alle Firmen haben darunter gelitten. In etlichen Bereichen waren deutliche Preiserhöhungen möglich. Auch das war ein Aspekt der erhöhten Inflation. Von Unternehmensseite hörten unsere Analysten immer wieder den Satz: „Nie war es so leicht, die Preise zu erhöhen.“

Wenn gefühlt alles teurer wird, können auch die Preise in Sektoren angehoben werden, die im Grunde gar nicht unter der höheren Inflation zu leiden hatten. Ein gutes Beispiel bietet hier Microsoft. Der US-Konzern hat 2022 die Preise auf breiter Frontangehoben, wenn auch nicht massiv. Das dürfte sich positiv in der Bilanz 2022 niederschlagen. Microsoft hat nun einmal eine starke Preissetzungsmacht und die Kunden scheuen vor den hohen Wechselkosten zurück. Und wenn man als Geschäftskunde ehrlich ist, gibt es auch kaum wirkliche Alternativen, wenn die Geschäftsprozesse schon seit Jahren über Microsoft-Produkte laufen. Die Unternehmen werden Microsoft also voraussichtlich treu bleiben.

Ähnliches gilt für den Grafik-Software Anbieter Adobe. Hier kommt der große Anteil an Geschäftskunden sogar als positiver Effekt mit hinzu. Denn diese sind eher bereit größere Preiserhöhungen einfach ohne Murren zu akzeptieren.

Die positive Tendenz aus dem dritten Quartal wird nicht bleiben

Doch zurück zu den Gewinnen der Unternehmen. Aufschlussreiche Informationen bietet hier der Blick auf die abgeschlossene Berichtssaison zum dritten Quartal 2022. Die Unternehmen des S&P 500 haben im Jahresvergleich den Gewinn um immerhin 4,4 Prozent gesteigert. Das Bild wird jedoch verzerrt durch den Energiesektor, bei dem die Gewinne um rund 140 Prozent gestiegen sind. Ohne den Energiesektor hat es tatsächlich einen Gewinnrückgang um 3,3 Prozent gegeben. Der Umsatzanstieg fiel dagegen deutlich stärker aus – was natürlich auf die inflationär stark gestiegenen Preise zurückzuführen ist. So legten die S&P 500 Unternehmen im Schnitt beim Umsatz um 11,7 Prozent zu - ohne den Energiesektor immerhin noch um 8,4 Prozent.

Im Vergleich mit Europa zeigen sich einige markante Unterschiede – wobei hier auf Basis des Stoxx600 Index noch viele Unternehmen zum Stichtag 31.12.2022 fehlen. Dennoch ist es schon erstaunlich, dass die Gewinne im Jahresvergleich mit 33,1 Prozent deutlich stärker gestiegen sind als in den USA. Ohne den Energiesektor schrumpft das Gewinnwachstum jedoch auf 11,3 Prozent. Das verdeutlicht einmal mehr, wie massiv die Energiekonzerne 2022 von den massiv gestiegenen Preisen profitiert haben.

Ab dem zweiten Quartal 2023 klare Gewinnrückgänge in Europa

In den kommenden Monaten deutet sich jedoch eine deutliche Trendwende in Europa an. So sollen schon im ersten Quartal 2023 die Gewinne inkl. der Energiewerte nur noch um 4,8 Prozent zulegen. Im zweiten Quartal 2023 wird es dann nach Schätzungen des Datenanbieters Refinitiv wohl einen Gewinnrückgang um annähernd fünf Prozent geben.

Wie nun konkret die Bilanzsaison ausfällt, werden wir schon aber der kommenden Woche sehen. Dann stehen schon die Zahlen von großen US-Finanztiteln wie Goldman Sachs und Morgan Stanley auf dem Programm.

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