Stefan Riße: Dumm, dümmer … aber was, wenn keiner noch dümmer ist?

Stefan Riße · Uhr
Quelle: HNK/Shutterstock.com

Im Grunde gibt es genau zwei Wege, sein Geld am Aktienmarkt anzulegen. Die erste Methode ist die, dass man eine Aktie kauft, weil man glaubt, dass man einen noch Dümmeren findet, der einen noch höheren Preis bezahlt. Vornehm bezeichnet unsere Branche diese Methode als „Momentum-Strategie“.

Die Motivation der Käufer liegt oft allein darin begründet, dass die Aktie bereits stark gestiegen ist. Die Charttechniker agieren alle nach diesem Muster. Und es um funktioniert oft ja auch sehr gut. In den letzten Jahren zeigt das kaum ein Beispiel besser als der E-Autobauer Tesla.

Da gibt es die traditionsreiche Weltmarke Mercedes, Erfinder des Automobils, die man in den vergangenen Jahren zu einem einstelligen Kurs-Gewinn-Verhältnis, einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von teilweise unter eins und einer stattlichen Dividendenrendite von rund sieben Prozent kaufen konnte.

Das Gegenstück ist Tesla, eine neue Firma, die aber teilweise so viel wert war wie alle etablierten Automobilhersteller zusammen. Teuer, könnte man meinen, aber lange Zeit war teuer nicht zu teuer, denn die Aktie stieg immer weiter, während etablierte Automobilhersteller bleierne, lahme Enten waren und im Grunde immer noch sind.

Die Realität holt jede Aktie irgendwann ein

Das Problem bei dieser Momentum-Strategie ist allerdings, dass man irgendwann auch der letzte in der Reihe gewesen sein kann, der keinen Dümmeren mehr findet, der einen hören Preis bezahlt, oder man den Moment verpasst hat, als es noch genug Dumme gegeben hätte, die einen höheren Preis bezahlt hätten.

Ist eine Aktie fundamental extrem überbewertet, dann ist die Fallhöhe enorm hoch und damit auch das Verlustrisiko. Kursrückgänge von über 90 Prozent sind keine Ausnahme, sondern oft die Regel. Die Realität holt jede Aktie irgendwann ein.

Erinnert sei für die Älteren an den Neuen Markt, dessen Index um 97 Prozent abstürzte, bevor er eingestellt wurde. Ähnlich lief es mit der Deutschen Telekom, wo man sich um die Jahrtausendwende in unendlichen Umsatz- und Gewinnfantasien wegen des zu erwartenden Mobilfunkbooms erging, der zukünftig eben nicht nur Gespräche, sondern auch Daten transportieren sollte.

Was damals noch mehr Fantasie war, ist heute längst Realität, schneller als je zuvor. Die „Fantastilliarden“, um es mit Dagobert Duck auszudrücken, für die damaligen Bewertungen hätten von den Unternehmen verdient werden müssen, ließen sich aber nirgendwo mathematisch herleiten.

Die Aktien dieser Unternehmen stiegen, und das zog die weiteren Käufer an. In vielen Depots deutscher Anleger wird die Telekom-Aktie aus dieser Zeit heute noch schlummern. Zumindest die Dividenden waren ein Trostpflaster.

Mit-Unternehmer sein statt spekulieren!

Die zweite Methode auf Aktien zu setzen, ist die, es als das zu sehen, was es ursprünglich eigentlich auch immer war und ist, nämlich die Beteiligung an einem Unternehmen. Man ist sozusagen ein Mit-Unternehmer.

Betrachtet man eine Aktie nach dieser Methode, denkt man gar nicht darüber nach, was die Kurse wohl in näherer Zukunft machen werden, aufgrund dessen, dass andere die Aktie kaufen oder verkaufen könnten. Es ist vielmehr so, als käme ein Unternehmer zu einem und würde einen fragen, ob man sich an seinem Unternehmen beteiligen wolle.

Stellen Sie sich einen Freund vor, der sie fragt und der eine GmbH gründet, die gar nicht börsennotiert ist. Dann käme man gar nicht auf die Idee, zu überlegen, ob sich da irgendwann jemand fände, der einem diesen GmbH-Anteil teurer abkaufen könnte, denn es gäbe ja keinen Markt dafür.

Folglich würde man sich über andere Dinge Gedanken machen: Man würde sich das Geschäftsmodell genau anschauen, würde sich den Markt, die Branche, in dem es agiert, genau anschauen und überlegen, ob dieses Unternehmen denn in diesem Markt eine Chance hätte. Und wenn ja, wie hoch die Produktions- und Erzeugungskosten wären im Verhältnis zu den Preisen am Markt für die Produkte und / oder Dienstleistungen des Unternehmens. Kurzum, wie hoch seine Gewinnmarge wäre.

Hätten die Erzeugnisse des Unternehmens ein Alleinstellungsmerkmal oder zumindest eine Abgrenzung, die Marktanteile sichert. Und gäbe es für die Produkte oder Dienstleistungen dieses Unternehmens auch in den kommenden Jahren einen kalkulierbaren Absatzmarkt. Die Liste der Kriterien ließe sich noch verlängern.

Am Schluss käme dann die große Frage nach dem Preis des Unternehmensanteils. Steht dieser tatsächlich in einem gesunden Verhältnis zu den Erträgen, die man als Mit-Unternehmer zu erwarten hätte, oder brächte das Geld dann auf der Bank doch mehr? Wäre der Preis so attraktiv, dass er einen ordentlichen Aufschlag für das unternehmerische Risiko liefern würde, dann würde man diesen Unternehmensanteil wohl kaufen in der Absicht, auf ewig beteiligt zu bleiben oder zumindest für sehr lange Zeit.

So agieren Value-Investoren. Oft sind sie bei den groß gehypten Aktien nicht dabei, weil Unternehmen, die an der Börse gehypt werden, oft viel zu teuer sind. Der Vorteil dieser Methode liegt aber darin, dass die Fallhöhe der Aktien, die man kauft, viel geringer ist.

Liegt man in der Einschätzung des Geschäftsmodells grundsätzlich richtig, bekommt man allein über die Erträge seinen Einsatz irgendwann wieder raus und besitzt immer noch den Unternehmensanteil. Das Risiko bei dieser Form des Investierens liegt nur darin, dass man die Tragfähigkeit eines Geschäftsmodells, die Entwicklung der Branche, in der das Unternehmen agiert oder dessen Marktstellung innerhalb der Branche falsch einschätzt. Deshalb streut man seine Engagements in einem Fonds, der nach dieser Methode anlegt, über viele Branchen, Länder und Unternehmen. So minimiert sich auf lange Sicht das Risiko.

Das könnte dich auch interessieren

Meistgelesene Artikel