Börse gibt neuem Adidas-Chef Vorschusslorbeeren - Yeezy belastet

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- von Alexander Hübner

München (Reuters) - Der neue Adidas-Chef Björn Gulden sieht trotz roter Zahlen Licht am Ende des Tunnels.

Er verspüre "neue Energie rund um die Marke", sagte der Norweger am Freitag in Herzogenaurach. "Aber ich sollte nicht zu optimistisch sein." In den ersten drei Monaten dieses Jahres erwirtschaftete der weltweit zweitgrößte Sportartikelkonzern einen Nettoverlust aus dem fortgeführten Geschäft von 24 Millionen Euro; vor einem Jahr stand noch ein Gewinn von 310 Millionen Euro zu Buche. Der Umsatz trat mit 5,27 (2022: 5,30) Milliarden Euro auf der Stelle, nachdem die Umsätze mit den vom Skandal-Rapper Kanye West designten "Yeezy"-Schuhen weggefallen sind. Von ihm hatte sich Adidas im Herbst getrennt.

Auf dem einst lukrativsten Markt in China, wo Adidas zuletzt massiv an Boden verloren hatte, erwartet Gulden eine Trendwende, auch wenn der Umsatz von Januar bis März noch einmal um neun Prozent schrumpfte. "Zum ersten Mal in zweieinhalb Jahren sind wir wirklich zuversichtlich, dass die roten Zahlen grün werden", sagte Gulden. Die Einzelhändler meldeten dort schon zweistellige Zuwachsraten. Der kleinere Rivale Puma, von dem Gulden zu Jahresbeginn kam, verzeichnete zuletzt schon Umsatzzuwächse in China. Man sei auf dem richtigen Weg - doch bis China wieder zur Gewinnmaschine wird, werde es dauern, sagte Gulden.

Die Börse ließ sich von Guldens Optimismus anstecken: Die Adidas-Aktie legte um acht Prozent auf 169 Euro zu, nachdem die Quartalszahlen etwas besser ausfielen als erwartet. Seit dem Amtsantritt des Hoffnungsträgers sind die Papiere um 80 Prozent gestiegen. Adidas sei mit der Wende zum Besseren früh dran, schrieben die Analysten von JPMorgan. "Die Anzeichen von neuem Schwung könnten Gegenwind für andere in der Branche bedeuten."

Doch Gulden bleibt dabei, dass 2023 ein Übergangsjahr ist: "2023 wird ein holpriges Jahr mit enttäuschenden Zahlen." Es gehe darum, eine Basis "für ein besseres Jahr 2024 und ein gutes Jahr 2025" zu schaffen. Er rechnet mit einem operativen Verlust von 700 Millionen Euro, wenn die vom Verkaufsstopp betroffenen "Yeezy"-Schuhe nicht mehr verkauft werden. Der Umsatz soll währungsbereinigt um bis zu neun Prozent zurückgehen. Im ersten Quartal stand ein Betriebsergebnis von 60 (Vorjahreszeitraum: 437) Millionen Euro zu Buche.

Adidas hatte noch unter Guldens Vorgänger Kasper Rorsted bei der Zusammenarbeit mit West die Reißleine gezogen, weil dieser immer wieder verbal ausfällig geworden war - unter anderem mit antisemitischen Äußerungen. Allein wegen seiner "Yeezy"-Sneaker, die längst produziert sind, fehlten Adidas im ersten Quartal 400 Millionen Euro Umsatz. In Nordamerika brach der Umsatz um 20 Prozent ein. Bis zum Jahresende summieren sich die Einbußen beim Umsatz voraussichtlich auf 1,2 Milliarden Euro, beim operativen Gewinn auf 500 Millionen. "Der Erfolg mit Yeezy hat es Adidas wahrscheinlich zu bequem gemacht", sagte Analyst Cedric Rossi von Bryan Garnier in Paris.

Gulden verteidigte das lange Festhalten von Adidas an Kanye West: "Jede Partnerschaft mit Berühmtheiten hat ihre Risiken" - das gelte auch für Sportler, die sich später als Dopingsünder entpuppten. Doch wenn man darauf verzichte, leide die Marke.

DAS YEEZY-DILEMMA

Adidas steckt in einem Dilemma: Verkauft man den bei Fans begehrten "Yeezy"-Bestand, stehen West hohe Provisionen zu - und das Image von Adidas leidet. Wirft man die Millionen Schuhe weg, drohen hohe Verluste. Gulden hat laut darüber nachgedacht, den Erlös an jüdische Organisationen zu spenden. "Wir kommen einer Entscheidung näher und näher", sagte er. Die Optionen würden weniger. "Die Herausforderung ist: Wenn die Schuhe auf dem Markt sind und von Leuten getragen werden, müssen wir sicherstellen, dass sich die antisemitischen Botschaften ihres Schöpfers nicht verbreiten", sagte Holly Huffnagle vom American Jewish Committee.

Guldens zweite Baustelle ist China. Unter seinem Vorgänger Kasper Rorsted ist der Marktanteil von Adidas dort seit 2019 nach Daten der Marktforscher von Euromonitor von 19 auf elf Prozent gesunken, der chinesische Rivale Anta Sports ist vorbeigezogen. Von den Boykottaufrufen nach der westlichen Kritik am Umgang mit den Uiguren wurde Adidas stärker getroffen als die Konkurrenz, weil die Deutschen in China mehr auf Promis als Markenbotschafter setzten als auf Sportler, wie CMBI-Analyst Walter Woo sagt. Gulden steuert nun um: Er setzt wieder mehr auf den Sport als Zugpferd und auf China zugeschnittene Produkte. Die Hälfte der in China verkauften Schuhe und Kleidungsstücke sollen auch dort designt werden.

Adidas sitzt wie die gesamte Sportartikelbranche auf einem Berg von unverkauften Waren, die in der Corona-Pandemie über den Bedarf hinaus produziert worden waren und sich nun nur mit hohen Rabatten verkaufen lassen. Das drückt auf die Bruttomarge, die bei Adidas auf 44,8 (49,9) Prozent zusammenschmolz. Von Januar bis März sank der Lagerbestand nur um 300 Millionen Euro auf 5,7 Milliarden. Bis zum Frühherbst will Gulden den Bestand unter Kontrolle bekommen. Puma und Marktführer Nike erwarten eine Normalisierung schon zur Jahresmitte.

(Bericht von Alexander Hübner; Mitarbeit: Casey Hall in Shanghai und Helen Reid in London; redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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