Neuer Bayer-Chef senkt Ziele - Milliardenabschreibung wegen Glyphosat

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Frankfurt (Reuters) - Der neue Bayer-Chef Bill Anderson macht zum Start reinen Tisch: Nur wenige Wochen nach seinem Antritt kündigt er Milliardenabschreibungen im Agrargeschäft an und senkt die Jahresziele des Leverkusener Traditionskonzerns deutlich.

Analysten hatten zwar bereits damit gerechnet, dass Bayer wegen der gesunkenen Preise für den Unkrautvernichter Glyphosat seine Prognose kassieren muss - das Ausmaß kam für viele aber doch überraschend. Mit Blick auf die Gewinn- und Verlustrechnung entstehe der Eindruck von Großreinemachen, erklärte Analystin Emily Field von der britischen Großbank Barclays. An der Börse fielen Bayer-Aktien am Dienstag zeitweise um mehr als drei Prozent, drehten im Verlauf aber wieder ins Plus.

Fondsmanager Markus Manns von Union Investment - die Fondsgesellschaft zählt zu den zehn größten Bayer-Aktionären - sprach von einem "denkbar schlechten Start" für Anderson. "In seinem ersten Quartalsergebnis muss er gleich den Ausblick senken, Goodwill-Abschreibungen vornehmen und den erwarteten Free Cash Flow von drei Milliarden Euro auf null reduzieren", sagte Manns. Dabei hätte der Pharma- und Agrarkonzern das Geld dringend zum Schuldenabbau oder für Medikamenten-Einlizensierungen benötigt. Für die Gewinnwarnung könne Anderson nach so kurzer Amtszeit jedoch nicht verantwortlich gemacht werden, betonte Manns. "Aber es stellt sich die Frage, warum das alte Management ihm nicht durch einen realistischeren Ausblick einen besseren Start ermöglicht hat."

Der Druck auf Anderson ist hoch: Börsianer erwarten von ihm vor allem eine Zurückgewinnung des Investorenvertrauens und eine Überprüfung der Konzernstruktur mit aktuell drei Bereichen - dem Agrargeschäft, Pharma sowie den rezeptfreien Gesundheitsprodukten. Sein Vorgänger Werner Baumann hatte mit der milliardenschweren Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto viel Vertrauen bei den Anlegern verspielt, da die angeblich krebserregende Wirkung des Unkrautvernichters Gerichtsprozesse mit millionenschweren Belastungen nach sich zog. Baumann, der zum Juni das Ruder an den ehemaligen Roche-Pharmachef übergab, hatte im Mai bei der Vorlage der Zahlen zum ersten Quartal zumindest eingeräumt, dass nur noch das untere Ende der Jahresziele greifbar ist.

Für 2023 rechnet Bayer nun nur mit einem währungsbereinigtem Umsatz von 48,5 bis 49,5 Milliarden Euro und einem bereinigtem operativen Gewinn (Ebitda) von 11,3 bis 11,8 Milliarden. Zuvor waren ein währungsbereinigtes Umsatzplus von zwei bis drei Prozent auf 51 bis 52 Milliarden Euro und ein bereinigtes Ergebnis von 12,5 bis 13 (Vorjahr: 13,5) Milliarden Euro in Aussicht gestellt worden.

Die Prognosesenkung begründete das Management vor allem mit weiter "massiv" zurückgegangenen Umsätzen mit glyphosatbasierten Produkten. Daher müssten wegen des Glyphosatgeschäfts nun Firmenwert-Abschreibungen von 2,5 Milliarden Euro vorgenommen werden. Im zweiten Quartal dürfte das zu einem Konzernverlust von etwa zwei Milliarden Euro führen. Schon im ersten Jahresviertel hatte der Preisverfall bei glyphosathaltigen Unkrautbekämpfungsmitteln die Bilanz belastet. Für zusätzlichen Druck sorgten nun auch schlechte Witterungsbedingungen und ein geringerer Absatz wegen des Abbaus von Lagerbeständen bei den Kunden.

Nach Einschätzung der Analysten von Barclays führten sehr hohe Temperaturen und extreme Trockenheit in den USA zu einem geringeren Schädlingsbefall und einer niedrigeren Nachfrage der Landwirte nach Insektiziden. Von einem "beispiellosen Abbau von Lagerbeständen" sah sich bereits der US-Agrarchemiekonzern FMC Corporation betroffen, der vor zwei Wochen seine Prognosen senkte. Viele Börsianer hatten daher mit einem ähnlichen Schritt bei Bayer gerechnet. "Die Gewinnwarnung war zwar erwartet worden, fiel aber schlimmer aus, als von uns gedacht", hieß es von Morgan Stanley.

Bayer senkte auch die Prognose für den Gewinn je Aktie deutlich und erwartet jetzt einen freien Cash Flow von "etwa null Euro" statt von etwa drei Milliarden Euro. Im zweiten Quartal rechnet der Konzern nach vorläufigen Zahlen mit einem Umsatz von etwa elf (Vorjahreszeitraum: 12,82) Milliarden Euro und einem bereinigtem Ergebnis von voraussichtlich rund 2,5 (3,35) Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr hatten die Leverkusener noch von deutlich höheren Preisen und einem Umsatzsprung von 44 Prozent im Herbizid-Geschäft profitiert, nachdem es bei der Konkurrenz zu Engpässen in der Produktion infolge des Hurrikans Ida kam und auch chinesische Anbieter die Lücke pandemiebedingt nicht schließen konnten. Nachdem die Wettbewerber aber wieder auf den Markt zurückkehrten, sanken die Preise deutlich.

(Bericht von Patricia Weiß, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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