Kolumne

Bitcoin-Rücksetzer: Drei Gründe für den Crash und der weitere Ausblick

decentralist.de · Uhr (aktualisiert: Uhr)
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Am Donnerstag hat Bitcoin den größten Abverkauf seit Monaten und das größte Liquidationsevent seit dem Zusammenbruch der Skandal-Börse FTX Im vierten Quartal 2022 erlebt. Mit einem Kursrutsch von über 10% ging es zwischenzeitlich runter bis auf die Marke von 26.000$ und an den Futures-Märkten wurden im Zuge des Crashs Positionen im Wert von etwa einer Milliarde Dollar liquidiert.

Quelle: Tradingview

Der Kurs hat dabei wichtige charttechnische Unterstützungen eingebüßt. Während der 50-Tage-Trend bereits vor einigen Tagen gefallen ist und das Ende des kurzfristigen Momentums signalisiert hatte, ist der Kurs nun unter wichtige langfristige Marken wie den 200-Tage- und Wochen-Trend, sowie das Bullmarket-Supportband aus exp. 21-Wochen- und einfachem 20-Wochen-Trend gefallen. Fürs erste konnte sich der Kurs an der charttechnischen Unterstützung bei 26.500$ fangen.

Dies symbolisiert gleichzeitig die Ausbruchszone und den Start der jüngsten Rally, die durch die Ankündigung BlackRocks entstanden ist, einen Bitcoin-Spot-ETF auf den Markt bringen zu wollen. Sollte der Kursdruck anhalten, steht als nächstes die runde Marke von 25.000$ im Visier, sowie im extremeren Abwärtsszenario die runde Marke von 20.000$. Der Aufwärtstrend seit Anfang des Jahres wurde durch den herben Selloff vorerst beendet und könnte nun als charttechnischer Widerstand bei einem Erholungsversuch auftreten, ebenso wie 200-Tage- und Wochen-Trend, die derzeit eng um ein Niveau von etwa 27.300$ herum notieren.

Quelle: Tradingview

Sollte der Abwärtsdruck anhalten und die Kombination dieser beiden Trends als Widerstand auftreten, wäre eine weitere Korrektur bis an die Marke von 25.000$ als nächstes Kursziel wahrscheinlich. Spätestens danach dürfte sich entscheiden, ob dies das Ende der Rally seit Jahresanfang war und wir im schlimmsten Fall eine Rückkehr bis an die 20.000$ Marke sehen oder ob noch mehr Aufwärtspotenzial für Bitcoin im Pre-Halving-Jahr 2023 drin ist.

3 mögliche Gründe für den Crash

Grund 1: SpaceX

Am Markt ist am Donnerstag die Meldung aufgetaucht, dass Elon Musks Raumfahrt-Unternehmen SpaceX sich einer großen Menge an Bitcoin in ihrem Balancesheet entledigt hat. Es soll dabei um eine Summe von umgerechnet 373 Millionen Dollar gehen. Dabei ist nicht ganz klar, ob das Unternehmen seine Bitcoin-Bestände verkauft hat oder lediglich Verluste abgeschrieben hat.

Die Verkäufe sind jedoch nicht unmittelbar passiert, sondern sollen wohl bereits im letzten Jahr stattgefunden haben. Wenn ein großer Name bezüglich Käufen oder Verkäufen von Assets Entscheidungen fällt, dann sorgt das immer für Bewegung am Markt. Das gilt vor allem für die Kombination Elon Musk und den Krypto-Sektor. Doch dass diese Meldung der Auslöser für den Selloff war, ist unwahrscheinlich. Dafür ist die Summe zu gering und die Aktion liegt bereits zu lange zurück, eventuelle Verkäufe haben den Markt also bereits längst getroffen.

Grund 2: China/Evergrande

Ein wesentlich wahrscheinlicherer Grund ist das ungemütliche Makro-Bild, welches den Märkten erneut zusetzt. Die wirtschaftliche Perspektive aus Fernost wird immer düsterer. Die Konjunkturdaten aus China liefern bei weitem nicht das, was die Märkte sich erhofft haben. Nach den langen und in China besonders strikten Einschränkungen durch die Covid-Lockdowns hat man sich eine deutliche Erholung vom Wachstumsmotor China erhofft. Diese lässt bis jetzt jedoch auf sich warten – im Gegenteil, die chinesische Konjunktur zeigt sich immer kurzatmiger. Rekordjugendarbeitslosigkeit, wachsende Schulden und schwaches Wachstum setzen der Wirtschaft zu. Hinzu kommt neuer Druck aus dem chinesischen Immobiliensektor: Der Immobiliengigant Evergrande, der bereits Ende 2021 für Schrecken durch massive Schuldenberge gesorgt hat, bei denen die Rückzahlungen immer unwahrscheinlicher werden, hat nun ein Chapter 15 Bankruptcy Filling in den USA eingereicht, um internationale Assets vor Einforderungen durch Gläubiger während der Umstrukturierung des Konzerns zu schützen. Das schürt die Sorgen um weitere Verwerfungen im Sektor, die sich aufgrund der Relevanz des Immobiliensektors in der gesamten chinesischen Wirtschaft ausbreiten könnten.

Der Sektor ist schätzungsweise für 20-30% des gesamten chinesischen BIP verantwortlich. Die neue Evergrande-Meldung ist der kurzfristige Schock, der für Gegenwind an den Aktienmärkten und dadurch resultierend auch für Bitcoin gesorgt hat. Langfristig machen viele Experten sich immer mehr Sorgen, dass China seine Rolle als verlässlicher Motor für die Weltwirtschaft nicht mehr lange spielen kann. Nachdem das Land einen jahrzehntelangen Aufstieg und monströse Wachstumsraten vorgelegt hat, scheint der Peak erreicht zu sein und das Pendel neigt sich nun immer mehr in Richtung der Gegenseite.

Das perspektivisch sehr große Demographie-Problem Chinas (welches auch weitere fatale Auswirkungen auf den aufgeblähten Immobiliensektor haben könnte, da neue Wellen an Käufern irgendwann ausbleiben werden), eine nachlassende internationale Nachfrage und riesige Schuldenberge, die während der jahrelangen Wachstumsphase recht bedenkenlos angehäuft wurden, könnte China aus Sicht einiger Marktexperten mehr und mehr zu einer Zeitbombe werden lassen, die aufgrund der Relevanz der Wirtschaftszone auch eine Zeitbombe für die globale Wirtschaft sein könnte. Diese Erkenntnis wächst an den Märkten mit neuen Meldungen wie die um Evergrande und andere in Schieflage geratene chinesische Konzerne und fordert ihren Tribut.

Grund 3: Grayscale

Ein – spekulativer – Grund, könnte in den Entwicklungen um den weltgrößten Bitcoin-Trust Grayscale und ihrem Streit mit der US-Börsenaufsicht SEC liegen. Grayscale wurde, neben vielen weiteren Anbietern, ein Spot-ETF von der SEC verwehrt. Grayscale ist jedoch vor Gericht gegangen, da man die Praktiken der Börsenaufsicht für rechtswidrig hält. Die Begründung von Grayscale ist durchaus plausibel, da die SEC die Ablehnungen der Anträge offiziell mit einem zu hohen Manipulationsrisiko des Krypto-Sektors und fehlenden Möglichkeiten einer Überwachung und Regulierung der Märkte begründet.

Allerdings sind bereits mehrere auf Futures basierende Bitcoin-ETFs zugelassen worden – für die jedoch im Grunde dieselben Argumente gelten sollten. Es wird nun am Markt von einigen Insidern für heute, den 18. August 2023, eine Entscheidung des Gerichtsprozesses zwischen Grayscale und der SEC erwartet. Eine Entscheidung zugunsten Grayscales würde defacto einer Erlaubnis für eine Umwandlung des Trusts in einen Bitcoin-Spot-ETF entsprechen. Futter für Spekulationen, dass genau das passieren könnte, hat eine jüngst ausgerufene Stellenausschreibung von Grayscale für einen ETF Product Specialist sowie einen Senior Associate für das hauseigene ETF-Team geliefert.

Warum könnte das ein Grund für den Abverkauf sein? Das liegt in der Natur des Trusts. Einmal eingezahlte Bitcoin-Einheiten kommen nicht wieder aus diesem Trust heraus. Es können nur die ausgegebenen GBTC-Shares gehandelt werden. Dadurch ist es dem Trust nicht möglich, die tatsächlich verwahrten Bitcoin-Bestände, also das Net Asset Value des Trusts, genau nachzubilden. Dadurch hat sich im letzten Bullrun ein großes Premium gebildet – die GBTC-Shares hatten einen höheren Preis, als das Net Asset Value es eigentlich rechtfertigt hätte. Im 2022er Bärenmarkt hat sich die Lage umgekehrt: der hohe Verkaufsdruck auf GBTC-Shares hat zu einem hohen Discount geführt. Anleger konnten ihre GBTC-Shares nicht wieder in die im Trust eingezahlten BTC zurücktauschen, sondern mussten die Shares verkaufen. Der Discount beträgt derzeit über 25%.

Quelle: Ycharts

Sollte der Trust jedoch in einen ETF umgewandelt werden können, wäre es daraus resultierend wieder möglich GBTC-Shares in Bitcoins umzutauschen. Dadurch ergeben sich Arbitrage-Möglichkeiten. Der einfache Gedanke: Man erwirbt GBTC-Shares mit einem 25% Rabatt auf den tatsächlichen Bitcoin-Preis und verkauft seine Bitcoin-Einheiten. Der Trust wird in einen ETF umgewandelt und man tauscht die GBTC-Shares in BTC um und erhält seine Bitcoin-Einheiten zurück. Ein theoretischer (und so gut wie risikoloser) Gewinn von 25% (anhand des derzeitigen Discounts).

Diese „Schließung“ des Discounts des Grayscale-Trusts würde natürlich großen Verkaufsdruck auf Bitcoin ausüben. Der Trust hat eine Größe von mehreren Milliarden Dollar an gehaltenen Bitcoins. Es ist möglich, dass derzeit einige Marktteilnehmer diese Arbitrage-Möglichkeit ausnutzen wollen, weil sie auf das beschriebene Szenario spekulieren (oder gewisse Player evtl. Insider-Informationen haben?) und dadurch den Druck auf den Bitcoin-Preis mit ausgelöst haben. Möglich ist es. Das Ergebnis sehen wir, wenn neue Informationen zum Rechtsstreit veröffentlicht werden.

Wie sollte man aus der Investment-Perspektive damit umgehen?

Ein heftiger Selloff wie dieser ist immer unschön und eine Prüfung für die Nerven der Anleger. Im negativen Fall signalisiert diese Korrektur das Ende der Zwischenrally für 2023 – ein Szenario, welches ich in früheren Kolumnen bereits oft als mein Basisszenario für dieses Jahr skizziert habe – und eine Korrektur bis zurück an die 20.000$ Marke wäre möglich, wenn die Aktienmärkte ihre Korrektur ebenfalls fortsetzen. Im Bestcase trifft das Grayscale Szenario ein zu und wir sehen doch schneller als gedacht den ersten Bitcoin-Spot-ETF in den USA.

Dann würde die Schließung des Discount-Fensters des Trusts zwar für ordentlich Kursdruck sorgen. Demgegenüber stünde jedoch wahrscheinlich eine extreme Euphorie sowie perspektivisch starke Einflüsse von institutionellem Kapital in den ETF, sowie die Zulassung weiterer ETF-Produkte. Langfristig ändert sich an der Investment-Perspektive für Bitcoin ohnehin nichts. Im Zweifel dürfte die anhaltende wirtschaftliche Schwäche Chinas, sowie Risiken aus dem Immobiliensektor dazu führen, dass wir massives QE in China sehen werden, welches auch die Geldschleusen hinein in Equities öffnen dürfte.

Auch die straffe Geldpolitik der USA steht angesichts einer drohenden globalen Rezession – ausgelöst durch China – eher auf tönernen Füßen. Ein herber Selloff an den Märkten bleibt in den Karten, sollten wirtschaftliche Erschütterungen dieser Art eintreten – aber die Feuerwehr steht bereit und die gigantische Verschuldung aller Wirtschaftsteilnehmer weltweit lässt im Endeffekt gar nicht zu, dass man Vermögenswerte zu sehr abwerten lässt, da sie im Endeffekt als Deckung für einen Großteil dieser Schulden dienen. Bevor dieses Kartenhaus in sich zusammenfällt, werden die Zentralbanken auf jeden Fall die Gelddruckmaschine heiß laufen lassen. Es geht gar nicht anders. Und das stärkt den langfristigen Investmentcase für Bitcoin umso mehr.

Denken Sie langfristig!

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