Lindner verfügt Haushaltssperre - Ringen ums Geld

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- von Holger Hansen und Andreas Rinke

Berlin/Jena (Reuters) - Nach einer von Finanzminister Christian Lindner (FDP) verfügten Haushaltssperre ringt die Ampel-Regierung um die Aufstellung des Etats für 2024 und die Frage, für welche Projekte es noch Geld geben soll.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte mit Blick auf Großprojekte wie eine Intel-Chipfabrik in Magdeburg am Dienstag großen volkswirtschaftlichen Schaden im Fall einer Absage des Vorhaben voraus. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) forderte eine neue Priorisierung im Haushalt. Die Union verlangte nach einer Anhörung im Haushaltsausschuss, den für Donnerstag geplanten Abschluss der Etatberatungen für 2024 zu verschieben. "Sonst läuft die Ampel sehenden Auges in einen verfassungswidrigen Haushalt", sagte CDU-Haushälter Christian Haase. Ampel-Haushälter wollen an der Sitzung zwar festhalten. Allerdings sei darüber das letzte Wort noch nicht gefallen, hieß es in der Koalition. In der Regierung werde weiter über das Vorgehen nach dem Verfassungsgerichtsurteil beraten.

Mit der am Montagabend verfügten Haushaltssperre für alle Ministerien zog Lindner die Reißleine, um angesichts der unsicheren Haushaltslage nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts weitere Ausgabenzusagen zu verhindern. Haushältern war auf Anhieb nicht präsent, wann es das zuletzt gegeben hat. Sie verwiesen auf eine teilweise Haushaltssperre 2003 in der damaligen rot-grünen Koalition.

"Das ist das schärfste Schwert, das ein Finanzminister hat, wenn eine finanzpolitische Notlage eintritt", sagte CDU-Haushälter Haase. Damit seien ähnliche Einschränkungen verbunden wie im Fall einer vorläufigen Haushaltsführung. Dies hatte die Union für 2024 anstelle eines Etatbeschlusses ins Spiel gebracht, was die Ampel-Haushälter aber abgelehnt haben.

Das Bundesverfassungsgericht hatte der Bundesregierung vergangene Woche 60 Milliarden Euro gestrichen, weil die Übertragung nicht genutzter Corona-Kredite auf den Klimafonds(KTF) verfassungswidrig war. Das Geld fehlt der Regierung nun.

Habeck und Wissing begrüßten die Haushaltssperre als richtigen Schritt. Der Wirtschaftsminister warnte aber, die Projekte, die aus den 60 Milliarden Euro des KTF finanziert werden sollten, nun zur Disposition zu stellen. Die Finanzierung aller Projekte, die einen formalen Förderbescheid bekommen hätten, sei zwar sicher, sagte Habeck auf dem Digitalgipfel in Jena. "Der Umkehrschluss allerdings wäre unzulässig aus meiner Sicht", fügte er auf die Frage nach Intel hinzu.

"Natürlich können wir auch noch mal priorisieren", erklärte der Grünen-Politiker. "Aber die Projekte, die wir KTF fördern, sie haben ja mehrfachen Nutzen." Man dürfe gerade solche Investitionen nicht alleine für sich sehen. Sie seien eingebettet in ein Geflecht von Wirtschaftsbeziehungen.

UNION HÄLT AUCH WSF FÜR VERFASSUNGSWIDRIG

Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte vergangenen Freitag bereits betont, er wolle an den milliardenschweren Subventionen für die Intel- und die TSMC-Fabrik festhalten. FDP-Politiker Wissing wollte nicht sagen, wo er eine Neupriorisierung im Haushalt vornehmen wolle. Aber man müsse sich anschauen, wo es kurzfristig dringenden Bedarf gebe.

Das Bundesverfassungsgericht machte bei seiner Entscheidung auch weitere Klarstellungen zur Schuldenbremse im Grundgesetz und zur Rechtmäßigkeit von Krediten. Diese könnten auch Folgen für den Haushalt 23 und die Etatplanung 2024 haben. Der Bundesrechnungshof (BRH) und Sachverständige befürchten, dass auch die Etatplanung für 2024 verfassungswidrig ist.

Aus Sicht der Union ist der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) ebenfalls verfassungswidrig. Das habe die Anhörung bestätigt, erklärte Unions-Vizefraktionschef Mathias Middelberg. Die 2023 daraus bezogenen Milliarden hätten im Grunde nach seinen Worten also nicht zur Verfügung gestanden. Die Ampel müsse daher die Mittel mit einem Nachtragshaushalt nachträglich bereitstellen. "Die Ampel wird sich mit der Frage, ob die Notlagen-Klausel noch mal zu betätigen ist, beschäftigen müssen", sagte Middelberg mit Blick auf den Mechanismus zur Aussetzung der Schuldenbremse. Der Etat 2023 sieht ebenso wie der Entwurf für 2024 vor, dass die Schuldenbremse eingehalten wird. Darauf pochte bisher vor allem Finanzminister Lindner.

Das Finanzministerium räumte die Probleme mit dem WSF am Dienstag offen ein, indem es auch für den WSF eine Haushaltssperre verfügte. "Aufgrund der Auswirkungen des Urteils (...) können die Kreditermächtigungen für das Sondervermögen Wirtschaftsstabilisierungsfonds-Energie im Jahr 2023 nach derzeitiger Rechtslage nicht mehr genutzt werden", heißt es in dem Schreiben an die Ministerien. Aus dem Finanzministerium hieß es ergänzend: "Die Auszahlung der Energiepreisbremsen im Jahr 2023 ist nicht betroffen."

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