Bayer hält an Konzernstruktur fest - "Bleiben für alles offen"

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- von Patricia Weiss

Frankfurt (Reuters) - Bayer-Chef Bill Anderson schiebt eine mögliche Aufteilung des Pharma- und Agrarkonzerns auf die lange Bank und sieht vorerst dringendere Probleme.

Die Antwort auf die Frage nach der künftigen Struktur und einer Aufspaltung des Konzerns laute "nicht jetzt", damit sei aber nicht "niemals" gemeint. "Natürlich werden wir für alles offenbleiben", sagte Anderson am Dienstag zur Jahresbilanz und dem Kapitalmarkttag für Investoren in London. "Aber unser Hauptaugenmerk liegt auf der Bewältigung unserer Herausforderungen, der Steigerung unserer Performance und der Schaffung strategischer Flexibilität. Wir sind überzeugt, dass dieser Ansatz der Beste für Bayer ist."

Anderson muss den Konzern, der vor einem hohen Schuldenberg und einem Verlust von fast drei Milliarden Euro im vergangenen Jahr steht, aus einer tiefen Krise führen. Der Amerikaner, der vor einem Dreivierteljahr das Ruder übernahm, hatte für den Kapitalmarkttag seine Zukunftspläne für Bayer angekündigt. Andersons Vorgänger Werner Baumann hatte Bayer mit der milliardenschweren Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto eine Klagewelle ins Haus geholt und viel Vertrauen verspielt. Die Erwartungen an Anderson waren hoch, doch zuletzt hatte sich schon abgezeichnet, dass der große Knall ausbleiben würde.

BAYER PEILT MILLIARDENEINSPARUNGEN AN

"Wir haben drei starke Divisionen. Aber an vier Stellen gibt es dringenden Handlungsbedarf", sagte Anderson mit Blick auf auslaufende Patente und die Wirkstoff-Pipeline im Pharmageschäft, die US-Rechtsstreitigkeiten wegen des Unkrautvernichters Glyphosat und der Chemikalie PCB, den hohen Schuldenstand sowie die hierarchische Bürokratie bei Bayer. In den kommenden zwei bis drei Jahren wolle sich das Unternehmen darauf konzentrieren, eine starke Pharma-Pipeline aufzubauen, die rechtlichen Risiken zu reduzieren, die Verschuldung von zuletzt 34,5 Milliarden Euro zu senken und sein neues Organisationsmodell weiter einzuführen.

Dieses ist mit einem erheblichen Personalabbau zu Lasten vieler Führungskräfte verbunden, wie Bayer bereits angekündigt hatte. Ab 2026 soll es zu jährlichen Einsparungen von zwei Milliarden Euro führen. Wie viele Stellen insgesamt gestrichen werden, ist weiter offen. "In einigen Bereichen haben wir heute zwölf Ebenen zwischen Bill und unseren Kunden. Unsere Zielgröße sind fünf bis sechs Ebenen im gesamten Unternehmen", sagte Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektorin Heike Prinz nur. Mehr als 17.000 Führungskräfte arbeiten heute noch bei Bayer, weltweit sind es insgesamt rund 99.700 Beschäftigte.

Nach zuletzt einer Reihe von Niederlagen bei den Glyphosat-Prozessen in den USA plant Anderson auch eine Anpassung der Rechtsstrategie. Bayer werde "neue Ansätze inner- und außerhalb der Gerichtssäle verfolgen". Dazu gehöre auch eine intensivere Zusammenarbeit mit Akteuren im Bereich der Politik. Bayer wolle sich aber weiter "energisch verteidigen" und jedes negative Urteil anfechten. "Aber es ist klar, dass eine Verteidigungsstrategie allein nicht ausreicht." Details wollte er noch nicht nennen. Zuletzt standen in dem Rechtsstreit wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Herbizids noch für 54.000 der insgesamt rund 167.000 angemeldeten Ansprüche Einigungen aus.

Seit der Monsanto-Übernahme 2018 hat Bayer an der Börse mehr als 70 Prozent an Wert verloren - am Dienstag fielen die Papiere mit 27,21 Euro auf den tiefsten Stand seit fast 20 Jahren. "Der große Wurf ist ausgeblieben. Die Finanzkennzahlen und der Ausblick sind eher enttäuschend", kritisierte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance beim Sparkassen-Wertpapierhaus Deka. "Die Strategie ist weiterhin vage und die Frage zur Gruppenstruktur bleibt unbeantwortet."

UMBAU WÜRDE MANAGEMENT-KAPAZITÄTEN BINDEN

Anleger erwarteten von Anderson nach seinem Amtsantritt eine Überprüfung der Konzernstruktur - die Forderungen reichten von einer Abspaltung des Geschäfts mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten bis hin zu einer kompletten Aufspaltung. Doch einer gleichzeitigen Aufspaltung des Konzerns in drei Teile hatte Anderson schon im November eine Absage erteilt. Neben der Beibehaltung von drei Divisionen sah er damals eine Trennung vom Geschäft mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten (Consumer Health) oder der Agrarsparte als die wesentlichen möglichen Optionen.

Die Probleme von Bayer schränkten die strukturellen Möglichkeiten aber stark ein, sagte er nun. Für einen Verkauf kommt für Anderson nur noch Consumer Health in Betracht, derzeit seien aber die Bewertungen "nicht wirklich vorteilhaft". Eine Trennung wäre außerdem mit erheblichen Kosten und Steuereffekten verbunden, ohne eine Lösung für die Rechtsstreitigkeiten und die Patentabläufe im Pharmageschäft zu bieten.

Jede Art von struktureller Veränderung würde zudem den größten Teil der Zeit des Managements über mindestens 24 Monate in Anspruch nehmen. "Seit ich bei Bayer bin, habe ich mit vielen CEOs gesprochen, die große strukturelle Veränderungen umgesetzt haben. Die Botschaft war klar: Man kann entweder das operative Geschäft neu aufsetzen, um die Performance zu verbessern, oder man kann eine große strukturelle Veränderung vornehmen – aber man kann nicht beides gleichzeitig tun."

(Weiterer Reporter: Ludwig Burger. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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