Wirtschaft fordert nach Fall Tesla besseren Schutz der Infrastruktur

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- von Christian Krämer und Andreas Rinke und Christoph Steitz

Berlin/Frankfurt (Reuters) - Nach dem Anschlag auf die Stromversorgung des Tesla-Werks in Grünheide bei Berlin fordert die deutsche Industrie einen besseren Schutz der Infrastruktur.

Die neue Sicherheitslage müsse dabei genauso berücksichtigt werden wie Cyberangriffe aus dem Ausland, sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Wirtschaftsvertreter aus Brandenburg kritisierten, dass eine rote Linie überschritten worden sei. Der Standort würde weiter leiden, sollte die Infrastruktur nicht sicher sein. Die Bundesregierung geht aber von einem Einzelfall aus.

"Infrastrukturen sind die Lebensadern der deutschen Wirtschaft", so Wansleben. "Es ist essenziell, dass Investoren Deutschland auch weiterhin als sicheres Land einschätzen können." Die Infrastruktur sei insbesondere durch Cyberangriffe aus dem Ausland gefährdet. "Wir brauchen eine wirklich effektive Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft, aber auch Rechtsklarheit in den betreffenden Fragen." Die Politik müsse das geplante Gesetz zum Schutz strategisch wichtiger Infrastrukturen mit Maßnahmen zur Cybersicherheit abstimmen und zeitnah verabschieden.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach Medienberichten zufolge von einem Verbrechen, das aufgeklärt werden müsse. Zwar sei die Demonstrationsfreiheit ein hohes Gut. Die politische Debatte in Deutschland dürfe aber nicht abrutschen. Der Anschlag richtet sich laut Carsten Christ, Präsident der Handelskammer Ostbrandenburg, nicht nur gegen Tesla. "Es ist ein Anschlag auf alle Unternehmen, die in Brandenburg und Deutschland investieren wollen. Ich sehe den Staat dringend in der Pflicht, unsere Wirtschaft davor zu schützen." DHL-Chef Tobias Meyer sagte, es sei nicht der erste Vorfall dieser Art in Deutschland. Der Logistik-Riese habe aber Vertrauen in die staatlichen Behörden.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit verurteilte den Anschlag, sagte zugleich aber: "Ich würde jetzt vor Alarmismus warnen." Es handele sich um einen Einzelfall. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums wies darauf hin, dass man an gesetzlichen Vorgaben arbeite, wie die kritische Infrastruktur besser geschützt werden könne. Darüber hinaus sei es erstmal die Pflicht der Netzbetreiber, die Sicherheit ihrer Anlagen zu gewährleisten. Ein Umspannwerk oder ein Kraftwerk sei sicher einfacher zu schützen als ein Strommast, der auf einem freien Feld stehe. "Aber auch deshalb wollen wir Mindeststandards gesetzlich festschreiben."

Der Energiekonzern E.ON teilte mit, die Schadensstelle sei von den Sicherheitsbehörden wieder freigegeben worden. Statiker hätten den beschädigten Mast einer Bewertung unterziehen können. E.ON sei auf eine Vielzahl möglicher Szenarien zur Sicherung seiner Anlagen vorbereitet und treffe bestmögliche Vorkehrungen. RWE als Deutschlands größter Stromproduzent teilte auf Anfrage mit, die Sicherheit und der Schutz unserer Einrichtungen habe schon immer oberste Priorität. "Wir nehmen die Verantwortung, die damit für die Öffentlichkeit verbunden ist, sehr ernst."

ANSCHLAG VON LINKSEXTREMISTEN?

Ein Brand an einem Hochspannungsmast in der Nähe des Tesla-Werks hatte am Dienstag die Stromzufuhr unterbrochen. Die Fabrik ist für mehrere Tage lahmgelegt, den Schaden bezifferte Werkleiter Andre Thierig auf einen hohen dreistelligen Millionen-Betrag. Pro Tag könne das Unternehmen nun mehr als 1000 Fahrzeuge nicht produzieren, deren Grundpreis 45.000 Euro pro E-Auto beträgt.

In einem Schreiben im Internet bekannte sich die "Vulkangruppe Tesla abschalten!" zu der Tat. Der Verfassungsschutz Brandenburg stuft die Organisation als linksextremistisch ein. Sie hatte sich auch zu einem 2021 verübten Anschlag auf überirdisch verlegte Hochspannungskabel zur Baustelle der Tesla-Fabrik bekannt. Eine Polizei-Sprecherin sagte, das Bekennerschreiben werde als echt eingestuft. "Wenn es sich bestätigt, dass es hier ein linksextremistisches Motiv gibt, dann zeigt das die Gefahren durch den Linksextremismus", sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums. Etwa jeder vierte Linksextremist werde als gewaltorientiert eingeschätzt.

Tesla wollte sich am Mittwoch zunächst nicht äußern. Die Investmentbank Baird senkte ihre Prognose für die Auslieferungen des US-Konzerns im laufenden ersten Quartal deutlich auf gut 421.000 Autos. Im vierten Quartal waren es noch mehr als 484.000. Die Analysten nannten dafür zahlreiche Gründe, unter anderem auch Lieferkettenprobleme durch die Spannungen im Roten Meer, aber auch den Anschlag in Deutschland.

(Mitarbeit von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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