Aktienmärkte: Die Stimmung wird schlechter, die Warnungen immer lauter – kommt ein Crash mit Ansage?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Nach einer erneuten Abwärtsfahrt, ausgelöst durch eine sehr schwache Wall Street, können die deutschen Aktienmärkte sich heute zunächst fangen. Der Dax ist jedoch einmal mehr unter die runde Marke von 14.000 Punkten gerutscht. Die Stimmung an den Märkten bleibt von Sorgen geprägt, positive Impulse für die kurz- bis mittelfristige Zukunft sind derzeit Mangelware. „Noch immer ist der Abwärtstrend intakt und noch immer gibt es kein Halten auf dem Weg nach unten“, schreibt unter anderem Analyst Christoph Geyer. Die Börsenumsätze in der Rückschlagsphase sprächen allerdings noch nicht für einen echten Ausverkauf. Die Landesbank Helaba konstatiert: „Die Verunsicherung insbesondere wegen der Energieversorgung aus Russland hält an“.

Deutsche Bank skizziert schärferes Rezessionsszenario

Der giftige Cocktail aus Inflation, steigenden Zinsen, Lieferengpässen und dem Ukraine-Krieg rücken die Gefahr einer Rezession in den Vordergrund und die internationalen Warnungen der Analysten werden lauter. Die US-Sparte der deutschen Bank, die in diesem Jahr als einer der ersten Banken mit einer Rezessionswarnung herausgekommen ist, hat ihre Prognose noch einmal verschärft. Der offizielle Call der Bank bleibt zwar bei einer „milden“ Rezession bis Ende des nächsten Jahres, jedoch ist aus Sicht der meisten Analysten der Bank eine schärfere Rezession erforderlich, um die Inflation abzuwürgen.

Entwicklungen wie der Klimawandel oder eine Umkehrung der Globalisierung, die bereits vor der Corona-Pandemie im Gange waren, tragen zusätzlich zur Inflationsentwicklung bei und könnten laut der Bank noch für unerfreuliche Überraschungen bei der weiteren Inflationsentwicklung sorgen. Hinzu kommt laut der Bank eine sich dramatisch verändernde Inflationspsychologie, bei der die Unternehmen bereit sind, Kostensteigerungen weiterzugeben, und Käufer bereit sind, sie zu akzeptieren. Angesichts dieser Vorstellung dürfte selbst eine aggressive Reaktion der US-Notenbank nicht ausreichen.

„Unsere Hausmeinung geht von einer leichten US-Rezession aus, die ein paar Quartale negatives Wachstum und einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um 1 bis 1,5 Prozentpunkte bedeutet“, sagt Peter Hooper, globaler Leiter der Wirtschaftsforschung der Deutschen Bank, gegenüber dem Branchenportal Marketwatch. „Eine schwere Rezession, die wir 2008 und in den frühen 1980er Jahren erlebt haben, ist ein ganz anderes Level: etwas, das ein Jahr, anderthalb Jahre dauert und zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit um 5 bis 6 Prozentpunkte führt. Die Rezession, an die wir in diesem alternativen Risikoszenario denken, liegt irgendwo zwischen beidem: etwas, das mehrere Quartale andauert, mit einem erheblichen Rückgang des BIP und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit um 3 Prozentpunkte, aber genug, um die Inflationspsychologie umzukehren, “, so der Analyst.

Morgan Stanley: Aktien momentan trotz Inflation teuer bewertet

Für Aktien kann Inflation normalerweise ein Pro-Argument sein, da Unternehmen die höheren Preise an ihre Kunden weitergeben und so auch höhere Umsätze einfahren. Zudem bieten Aktien eine Alternative für das Parken von Kapital, wenn das Geld entwertet wird. Analysten der Bank Morgan Stanley sehen in dem derzeitigen Inflationsumfeld jedoch kein gutes Umfeld für Aktien, da das Verhältnis der Aktienkurse und der Unternehmensgewinne immer noch sehr weit auseinander geht. Der breite Marktindex S&P 500 wird laut Analysten der Bank immer noch mit dem 19-fachen der erwarteten Gewinne bewertet, was die Bewertung des Aktienmarktes trotz der Inflation teuer erscheinen lässt.

„Die Implikation ist, dass die Gewinnrendite von Aktien inflationsbereinigt noch nie so niedrig war“, sagte Lisa Shalett, Chief Investment Officer of Wealth Management bei Morgan Stanley, am Montag in einer Mitteilung. „Diese Situation hat zum Zusammenbruch der Aktienrisikoprämie beigetragen.“ Die durchschnittliche Dividendenrendite des S&P 500 pro Aktie liegt mit etwa 1,4 Prozent erheblich unter der derzeitigen Inflationsrate in den USA. Angesichts dessen scheinen Aktien aufgrund des zusätzlichen Risikos, das man mit dem Kauf und dem Halten von Unternehmensanteilen im derzeitigen Umfeld als Investor trägt, weniger attraktiv. Angesichts dessen sei die derzeitige Performance des US-Marktes laut den Analysten von Morgan Stanley immer noch relativ gut, da ein Großteil der Anleger weiterhin zu glauben scheint, dass die Inflation bald unter Kontrolle gebracht werden kann, dass die Erträge der Unternehmen sich trotz des Gegenwinds als widerstandsfähig erweisen und das US-Aktien weiterhin als die beste Anlageentscheidung betrachtet werden.

Dies sei jedoch teilweise Wunschdenken, so Lisa Shalett. Das Anlage-Komitee von Morgan Stanley „ist weniger überzeugt, da es glaubt, dass Risiken in Bezug auf Realzinsen, Bewertungen, Gewinne, Marktliquidität, Inflation und zuletzt den starken US-Dollar es wert sind, nach unten eingepreist zu werden.“

Zuletzt hatte auch Michael Howell, Chief Executive von CrossBorder Capital und ein Experte für Marktliquidität, ein Szenario skizziert, in dem er weitere 20 Prozent Abwärtspotenzial für die amerikanischen Aktienmärkte sieht. Lesen Sie hier mehr.

Ignorieren sollte man die Warnzeichen nicht

An der Börse gelten eigene Gesetze und oft passiert das Gegenteil von dem, was der Markt erwartet. Daher kann man trotz der erdrückenden Gemengenlage an Problemen, die derzeit eine düstere Zukunft für die nächsten Monate an den Märkten zeichnen, nicht vorhersagen, ob ein weiterer Abwärtsdruck kommt, oder auf diesem Niveau selbst das Schlimmste schon eingepreist ist. Jedoch darf man als Anleger die Augen auch nicht vor den diversen Warnzeichen verschließen und sollte die eigene Anlagestrategie entsprechend anpassen. Sich jetzt defensiv aufzustellen und im Zweifel gewappnet zu sein, scheint derzeit definitiv der bessere Ratschlag zu sein, als sich später über verpasste Kursgewinne zu ärgern.

Eine breite Diversifikation, auch jenseits von Aktien, sowie eine solide Cash-Reserve – trotz der Inflation – um liquidide zu sein und schnell reagieren zu können, ist derzeit der beste Ratschlag, den man angesichts der diversen Unsicherheiten am Markt geben kann.

onvista-Redaktion mit Material von dpa-AFX

Titelfoto: MaxxiGo / Shutterstock.com

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