Börse Frankfurt-News: "Fast alle glauben an rosige Börsenzeiten" (Marktstimmung)

dpa-AFX · Uhr

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 7. Oktober 2015. Der aufschäumende Optimismus nahezu ohne pessimistisches Gegengewicht ist kein gutes Zeichen - ganz im Gegenteil.

Wenn man sich das Stimmungsbild der mittelfristig orientierten Investoren betrachtet, scheint sich seit der vergangenen Erhebung etwas Grundlegendes an der Markteinschätzung geändert zu haben. Waren in der vergangenen Woche neben dem ohnehin schon recht hohen Optimismus die Pessimisten noch eine halbwegs ordentlich vertreten, scheinen jetzt die letzten Skeptiker ihre Haltung und ihre Absicherungen aufgegeben zu haben. Und weil deren Anteil nur noch 18 Prozent aller Befragten ausmacht und sich etwa die Hälfte der Abgänge bei dieser Gruppe direkt zu den Optimisten begeben hat, ist der Börse Frankfurt Sentiment-Index ein weiteres Mal gestiegen und zwar um 12 Punkte auf einen Stand von +47 Punkten. Dies ist das höchste Niveau seit dem 5. Dezember 2012. Isoliert betrachtet war die Gruppe der Optimisten mit einem Anteil von 65 Prozent aller Befragten sogar so hoch wie zuletzt vor fast neun Jahren nicht mehr.

Bei genauer Betrachtung lässt sich durchaus feststellen, dass die ehemaligen Skeptiker - es handelt sich immerhin um 8 Prozent des gesamten Panels - mehrheitlich satte Gewinne eingestrichen haben dürften. Auch unter der Prämisse, dass der DAX in der Punktbetrachtung seit der vergangenen Sentimenterhebung immerhin um 3,5 Prozent zulegen konnte. Denn nach der Veröffentlichung des enttäuschenden US-Arbeitsmarktberichts am vergangenen Freitag ergab sich immerhin noch einmal ein Verlaufstief des Börsenbarometers auf rund 9.400 Zähler und somit eine günstige Kaufgelegenheit.

Die Motive für die Gewinnmitnahmen der früheren Skeptiker dürften auf der Hand liegen, hat sich doch während der vergangenen Tage die Meinung bei vielen Finanzmarktakteuren durchgesetzt, dass es aufgrund der sich verschlechternden ökonomischen Aussichten in den USA in diesem Jahr wohl nicht mehr zu einer Zinserhöhung der dortigen Notenbank kommen wird. Vielmehr scheinen manche Akteure sogar insgeheim damit zu rechnen, dass sich die Fed infolge der vielerorts nach unten revidierten Wachstumsaussichten für 2015 und 2016 sowie der Warnung des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor dem niedrigsten globalen Wachstum seit der Finanzkrise in einigen Monaten sogar gezwungen sehen könnte, ein neues quantitatives Lockerungsprogramm aufzulegen. Kein Wunder, dass damit Ereignisse wie die VW-Krise bei vielen Händlern in den Hintergrund gerückt sind.

Selbst frühere Skeptiker nun optimistisch

Eine ähnliche Entwicklung ist bei den Privatanlegern festzustellen. So hat sich in dieser Gruppe der Börse Frankfurt Sentiment-Index nicht nur um 17 Zähler auf einen Wert von +48 Punkte befestigt, sondern auch noch den höchsten Stand seit Beginn unserer Aufzeichnungen Anfang 2013 markiert. Machten die Skeptiker in der Vorwoche noch knapp ein Drittel aller Befragten aus, ist es auch hier zu Rückkäufen gekommen, wobei sich fast alle früheren Pessimisten nun zu den Bullen gesellt haben.

Dass sich andererseits von den mehrheitlich optimistisch eingestellten Börsianern - dies gilt für institutionelle und private Anleger gleichermaßen - trotz des ordentlichen Wochengewinns kaum jemand zu Gewinnmitnahmen durchringen konnte, ist jedoch nur zum Teil der Hoffnung geschuldet, dass es vor dem ersten Quartal 2016 wohl nicht zu einem Zinsschritt der US-Notenbank kommen wird. Vielmehr muss man davon ausgehen, dass sich das Gros der diesem Optimismus zu Grunde liegenden Engagements im DAX immer noch in einer Schieflage befindet, weswegen wir in der vergangenen Woche erstes stärkeres Angebot aus diesen Engagements ab 10.100 DAX-Zählern sahen.

Ausgehend von diesem Niveau dürfte sich der DAX nach oben schwerer als bisher tun, da die bisherige Erholung vor allen Dingen durch Rückkäufe oben genannter Pessimisten zustande kam. Da diese Nachfrage nun weitgehend verbraucht wurde, ist der DAX auf frisches langfristiges Kapital, vorzugsweise aus dem Ausland, angewiesen. Damit scheint gleichzeitig die Gefahr größerer Rückschläge keineswegs beseitigt, da es in diesem Fall an mittelfristigen Kaufinteressenten vor den bisherigen Jahrestiefs mangelt. Richtig dramatisch für die heutigen Optimisten dürfte sich die Lage jedoch dann gestalten, wenn dieses Niveau markant, also unter 9.200 DAX Zählern, unterlaufen würde.

von Joachim Goldberg, Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

© 7. Oktober 2015.

[1] Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positiven in negative Werte markiert die neutrale Linie. Die Werte des früheren Cognitrend Bull/Bear-Index sind auf die neue Skalierung umgerechnet worden.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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