Die Gefahr sinkender Ölpreise

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Der Ölpreis sinkt seit Monaten. Ein Ende der Talfahrt scheint nicht in Sicht. Was Verbraucher freut, könnte für Anleger und Firmen weltweit rasch zu einer Gefahr werden.

Seit Monaten kennen die Ölpreise nur eine Richtung: nach unten. Auch am Donnerstag haben die Preise weiter nachgegeben. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete nur noch knapp 80 US-Dollar. Der Preis für ein Fass der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate notierte bei rund 77 Dollar. So niedrig standen die Ölpreise zuletzt Ende 2010.

Für die sinkenden Preise gibt am Markt es verschiedene Erklärungen. Zahlreiche Beobachter machen einen Preiskampf der Förderländer für den Kursverfall verantwortlich. So hatte Anfang November Saudi-Arabien angekündigt, US-Abnehmern Preisnachlässe für sein Erdöl einzuräumen. Der arabische Staat reagierte damit auf die boomende Schieferöl-Produktion in den USA. Die Vereinigten Staaten haben ihre Ölproduktion seit 2004 massiv gesteigert und haben damit ihre Abhängigkeit von Importen reduziert.

Russlands Präsident Wladimir Putin hingegen sieht hinter dem für sein Land schädlichen Ölpreis-Rückgang gezielte politische Einflussnahme. „In manchen Krisenmomenten wächst der Eindruck, dass die Politik bei der Preisgestaltung für Energieressourcen die führende Rolle spielt”, sagte Putin in der vergangenen Woche. Wie genau eine solche Einflussnahme aussehen könnte, führte er nicht aus.

Steigende Nachfrage - noch stärker steigendes Angebot

Einfach ist die gegenwärtige Entwicklung des Ölpreises jedoch nicht zu erklären. Die Nachfrage nach Öl steigt weiter, wenn auch nur leicht. Erst ab 2030 könnte der Ölverbrauch nach Einschätzung der Internationale Energieagentur global abnehmen. Stärker als die Nachfrage steigt aber gegenwärtig die Ölproduktion. Vor allem die Förderung von Schieferöl in den USA hat das weltweite Angebot vergrößert. Den plötzlichen Preisverfall kann das aber nicht erklären.

Mitte Juni noch kostete ein Barrel Öl der Nordseesorte Brent rund 114 Dollar. Seitdem ist der Ölpreis um 30 Prozent abgerutscht. Ein drastischer Preisrutsch innerhalb weniger Monate, dem bei weitem keine so drastische Verschiebung von Nachfrage und Angebot gegenüberstanden. Der angesehene Ökonom Heiner Flassbeck sieht den Grund für den Kursrutsch daher auch an anderer Stelle.

Eine Spekulationsblase platzt

Die Ölpreise haben nach Ansicht von Flassbeck mit den Ölmengen nichts zu tun. „Es handelt sich um den Herdentrieb von Spekulanten“, sagte der ehemalige Chefökonom der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung gegenüber der Berliner Zeitung „taz“. Auf den Finanzmärkten seien nur Investoren unterwegs, die mit ihren Spekulationen die Ölpreise steigen ließen. „Sobald aber die ersten Spekulanten aussteigen, fängt der Ölpreis an zu sinken“, so Flassbeck. In dieser Situation befände sich der Markt nun.

Vom sinkenden Preis für Rohöl profitieren zunächst die Verbraucher. In Deutschland verbilligten sich die Kosten für Energie jüngst deutlich. Leichtes Heizöl kostete im Oktober 10,8 Prozent und Kraftstoffe wie Benzin 3,5 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Was die Verbraucher in Deutschland jedoch erfreut, treibt Menschen woanders tiefe Sorgenfalten auf die Stirn. Sollte der Ölpreis weiter ungebremst fallen, drohen schwere Verwerfungen.

Lesen Sie im zweiten Teil:
Warum ein niederiger Ölpreis eine Gefahr für das US-Finanzsystem ist.

OnVista/dpa-AFX
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