EZB: Mit dem Rücken zur Wand

Harald Weygand · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Autor des folgenden Beitrags ist mein Kollege Clemens Schmale:

Vergangene Woche wurde wieder einmal klar: die EZB hat sich in eine Sackgasse manövriert.

Vor einem halben Jahr kündigte die EZB TLTROs an. Diese Targeted Long Term Refinancing Operations oder zielgerichteten Langfristtender sollten den Kreditmarkt in der Eurozone endlich wieder beleben. Der Unterschied zu den gewöhnlichen Geldzuteilungen ist zweierlei. Einerseits ist das Geld für die Vergabe von Krediten zweckgebunden. Anderseits laufen sie zu einem bestimmten Zinssatz vergleichsweise lang. Die bisherigen Langfristtender hatten eine Laufzeit von maximal 2 Jahren. Die TLTROs haben eine Laufzeit von maximal 4 Jahren. Der Zinssatz, zu dem Banken das Geld bekommen, liegt bei 0,15%.

Insgesamt wollte die EZB bis zu 400 Mrd. zuteilen. Das ist ihr nicht gelungen. Beim ersten Tender wurden lediglich 82,6 Mrd. nachgefragt. Das war deutlich unter der Erwartung von 120 Mrd. und noch deutlicher unter dem Maximalbetrag. Beim zweiten TLTRO vergangene Woche wurde mit 129,8 Mrd. mehr nachgefragt, allerdings blieb auch dieser Betrag unter der Erwartung von 150 Mrd. Beide Tender zusammen verfehlten die Erwartungen um knapp 60 Mrd. Zudem wurde nur gut die Hälfte des Maximalbetrags von 400 Mrd. tatsächlich nachgefragt. Man kann unter diesen Umständen schon von einem Flop der TLTROs reden.

Für das geringe Interesse der Banken gibt es mehrere Gründe. Die Zweckbindung, die praktisch allerdings wenig strikt ist, ist eigentlich sinnlos. In den wöchentlichen Refinanzierungsgeschäften können sich Banken derzeit günstiger refinanzieren als über die TLTROs. Nachdem es keinen Hinweis darauf gibt, dass die Zinsen bald ansteigen werden, ist der Anreiz groß, sich kurzfristig zu besseren Konditionen zu refinanzieren als langfristig zu höheren Zinsen.

Das geringe Interesse an den TLTROs zeigt, dass auch Banken fest mit niedrigen Zinsen in den kommenden Jahren rechnen. Die TLTROs laufen 2018 aus. Die Nachfrage nach ihnen wäre wohl nur überragend hoch gewesen, wenn die Erwartung für das zukünftige Zinsniveau eine ganz andere gewesen wäre. So, wie sich die Lage darstellt, geht kaum eine Bank davon aus, dass 2018 wesentlich höhere Zinsen zu erwarten sind als heute. Das zeigen auch Zinsfutures an. Der 3 Monats-Euribor Future für Anfang 2018 zeigt eine Erwartung von 0,4% an. Für 2020 wird ein 3 Monatssatz von einem Prozent erwartet. Der Druck für Banken sich jetzt langfristig zu binden ist minimal.

Genau das zeigt das Dilemma der EZB. Wenn Banken erwarten, dass sie noch jahrelang zu jedem beliebigen Zeitpunkt unbegrenzt Geld zu minimalen Zinsen bekommen werden, wie sollten sie sich jetzt mit Geld vollsaugen und Kredite vergeben? Unter diesen Umständen wartet man lieber ab bis sich die wirtschaftliche Situation verbessert hat und Kreditvergabe wieder sicherer wird. Die Aussicht auf niedrige Zinsen für die kommenden Jahre schafft überhaupt keinen Anreiz Kredite zu vergeben. Im Gegenteil sogar, Banken warten lieber ab.

Die EZB nimmt das Verhalten der Banken mit Sorge zur Kenntnis und arbeitet an weiteren Maßnahmen, um die Kreditvergabe anzukurbeln. Das wird allerdings nicht zu mehr Kredit führen. Die EZB kann tun, was sie will. Je mehr sie lockert, desto mehr Zeit haben Banken den neuen Kreditzyklus zu beginnen. Die Maßnahmen der EZB haben eher eine schädliche Wirkung und führen zum Gegenteil dessen, was sie eigentlich bezwecken will.

Nun kann die EZB aber auch nicht anfangen die Zinsen signifikant anzuheben. Der Eurokurs würde durchdrehen. Investoren wären verunsichert, weil die EZB ganz andere Erwartungen geweckt hat. Die EZB hat sich damit in eine Sackgasse manövriert. Der Markt erwartet weitere Lockerung. Erfüllt die EZB die Erwartung nicht, dann ist die Hölle los. Gleichzeitig führen die Maßnahmen teils zum Gegenteil dessen, was bezweckt war. Da wieder herauszukommen wird sehr schwierig.

Autor: Clemens Schmale

(© BörseGo AG 2014 - Autor: Harald Weygand, Head of Trading bei GodmodeTrader)

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