Kleine Zeichen, große Bedeutung

Stefan Riße · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass die MIFA Mitteldeutsche Fahrradwerke AG über Jahre falsche Bilanzen vorgelegt haben soll, und dass gegen den jahrelangen Alleinvorstand Peter Wicht deswegen staatsanwaltliche Ermittlungen eingeleitet wurden. Das passt, dachte ich da so bei mir, zu der trotz möglicher Bilanzmanipulation nur sehr dürftigen Geschäfts- und Kursentwicklung der MIFA-Aktie seit dem Börsengang 2004. Ich hatte nämlich das Vergnügen, das Unternehmen journalistisch am Tag des Börsengangs zu begleiten. Ich arbeitete damals für den Nachrichtensender n-tv als Börsenkorrespondent und berichtete über den Börsengang und interviewte den Vorstandschef Peter Wicht. Da ich selbst seit Kindesbeinen ein Radrennfahrer bin und während meiner Schulzeit jahrelang in einem Fahrradladen in Bremen gejobbt hatte, verband mich mit Wicht natürlich ein gemeinsames Interesse: Fahrräder. Wir kamen tiefer ins Gespräch. Damals wurden Fahrradrahmen aus Karbon immer populärer, und ich überlegte mir solch einen zuzulegen. Wicht sagte mir, dass bräuchte ich deshalb nicht selbst tun, weil er mir einen aus Taiwan für einen Bruchteil des Preises besorgen könne. Am Ende kämen die sowieso alle von dort. Ich möge mich melden. Das tat ich dann auch per Email, nach meiner Erinnerung zwei Mal. Gehört habe ich nie etwas. Das ließ mich die Person Peter Wicht und MIFA vorsichtig einschätzen, zu Recht, wie wir nun wissen.

Maulheld und nichts dahinter

Ähnliches passierte mir einmal mit einem zukünftigen Kollegen, den ich in der Geschäftsleitung ergänzen sollte. Bevor ich den Job antrat, lud er mich ein, mit ihm am Main joggen zu gehen. Er ließ da schon durchklingen, dass er gute Leistungen auf diesem Feld vollbringe. Er war verhältnismäßig klein und leicht, so dass das vorstellbar war. Ich sagte gleich, dass ich nicht der ganz große Läufer sei. Radfahren geht bei mir ganz gut, und so bin ich im Ausdauersport immer einigermaßen zu gebrauchen, aber ein schneller Langstreckenläufer bin ich beileibe nicht. Er meinte, das sei ja kein Problem, er würde sich meinem Tempo anpassen. Wir legten also los und das Tempo war so, dass ich es gut mitgehen konnte, auf jeden Fall deutlich über fünf Minuten auf den Kilometer im Durchschnitt. Die Läufer unter den Lesern, wissen, dass das nicht sehr schnell ist. Irgendwann fing er dann aber doch an zu forcieren, allerdings so, dass ich noch mithalten konnte und die Blöße, um Verlangsamung zu bitten, wollte ich mir nicht gleich geben. Wirklich schnell waren wir immer noch nicht, da hörte ich, wie der Atem neben mir aber schon immer schwerer und schneller wurde. Wenig später, wir waren wohl erst zwei Kilometer in die eine Richtung unterwegs, wollte er dann schon umdrehen. Um es kurz zu machen: Den größten Teil des Rückweges mussten wir gehen. Angeblich hatte er am Wochenende etwas gegessen, was sauer aufstieß. Das kann natürlich auch mal passieren, aber es war bereits Mittwoch und so etwas schwer nachvollziehbar.

Auf dem Rückweg dachte ich dann darüber nach, wieviel Gehalt all die Aussagen wohl hatten, die er in Bezug auf das Geschäftliche bisher so losgelassen hatte? Meine böse Vorahnung sollte sich im Verlauf der Zusammenarbeit als richtig erweisen. Ein unglaublicher Dummschwätzer, mit einer Anzahl von wichtigtuerischen Floskeln im Gepäck und sonst nichts dahinter. Allerdings ausgestattet mit dem Talent, einen gewissen Typus von Mensch sehr lange blenden zu können. Dem späteren fristlosen Rauswurf konnte er dennoch nicht entkommen.

Bester Kontraindikator meines Lebens

„Wenn Intershop weiter fällt, dann kaufe ich noch mehr nach“ - „Und wie viel willst du da noch investieren?“ - „Alles, wenn es sein muss, auch auf Kredit, denn ich glaube an die Story!“ Dieses Gespräch zwischen zwei jungen Herren, das ich Anfang Juni 2000 zufällig auf dem Börsenplatz in Frankfurt belauschen durfte, werde ich nie vergessen. Es war die wohl beste Indikation für die weitere Börsentendenz, die ich in dieser Zeit überhaupt erhielt. Denn die Unterhaltung war exemplarisch für die damalige Situation. Obwohl die Kurse am Neuen Markt - dem längst der Geschichte angehörenden Technologiesegment der deutschen Börse – bereits ordentlich eingebrochen waren, war die Euphorie und Nachkauflaune riesengroß. Intershop war eines der Aushängeschilder des Neuen Marktes. Die vielen neuen Marktteilnehmer sowie auch erfahrene Börsianer hielten den Einbruch für eine gesunde Konsolidierung und die Gelegenheit, wieder günstig einzusteigen. Ich hingegen bin der Versuchung nicht erlegen, auch dank dieser belauschten Konversation.

Was ist das Fazit aus diesen drei Anekdoten? Ganz einfach, die kleinen Zeichen, die uns der Alltag von Zeit zu Zeit sendet, können sehr wichtige Hinweise auch für unsere Anlageentscheidungen liefern, wenn wir unseren gesunden Menschenverstand einsetzen und sie so richtig zu deuten wissen.

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