Mario Draghis Zündschnur

Holger Scholze · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Achtung! Heute spricht der EZB-Rat!

Die Börsianer sehnen diesen Augenblick herbei... Heute, um 13:45 Uhr, wird die Europäische Zentralbank (EZB) ihre aktuellen Entscheidungen zur Geldpolitik bekannt geben und sie dann in der obligatorischen Pressekonferenz ab 14:30 Uhr erläutern. Die wichtigsten Aktionen der Marktteilnehmer basierten in den vergangenen vier Wochen auf der hohen Erwartungshaltung, dass die Zinsen im Euro-Raum gesenkt werden und höchstwahrscheinlich ein ganzes Paket von Maßnahmen beschlossen werden müsse, um die niedrige Inflationsrate zu bekämpfen.

Das Dilemma der EZB

In den zurückliegenden Monaten und Jahren ist es der EZB immer wieder gelungen, die Märkte durch starke, glaubhafte Aussagen zu steuern. Dabei mussten die Währungshüter ihren Ankündigungen selten wirkliche Aktionen folgen lassen. So kündigte EZB-Präsident Mario Draghi im Jahr 2012 an, die hoch verschuldeten Länder des Euro-Raums um jeden Preis zu unterstützen und damit auch den Euro zu verteidigen. Erinnern Sie sich noch an den Satz: „Und glauben Sie mir, unsere Mittel dafür werden reichen!“ Seitdem bekam die Aktienbörse einen neuen Schub. Aber eben auch der Euro. Da die Gemeinschaftswährung ihren Aufwärtstrend jedoch fortzusetzen drohte, zog der EZB-Rat an der Schwelle der Marke von 1,40 US-Dollar die Reißleine. Denn ein weiter erstarkender Euro würde zunehmend die Exporteure belasten und durch niedrigere Importpreise die Inflationsrate zusätzlich niedrig halten oder sogar weiter drücken.

Das Munitionslager ist geöffnet

Vor vier Wochen entfachte Mario Draghi auf der Pressekonferenz nach der Sitzung des EZB-Rates sinnbildlich eine Zündschnur zum Munitionslager der Notenbank. Abermals wurden die Marktteilnehmer mit einer interessanten Rhetorik gesteuert. Diesmal waren die Worte aber ungewohnt klar und unmissverständlich. Ja, den ernsten Worten werden bald Taten folgen! Ich hatte dies bereits in meiner Kolumne vor drei Wochen ausgeführt (Haupttitel: „Eine Frage der Zeit“). Letzte Zweifel dürften durch die Verbraucherpreise in der Euro-Zone zerstreut worden sein. Wie am Dienstag bekannt wurde, lag die Inflationsrate im Mai nach einer ersten Schätzung nur noch bei 0,5 Prozent und damit 0,2 Prozentpunkte niedriger als vor einem Monat. Auch in Deutschland ging die Kennzahl um 0,2 Prozentpunkte zurück. Hierzulande stiegen die Preise im Jahresvergleich nur noch um 0,9 Prozent. Außerdem dümpelt das Wirtschaftswachstum im Währungsraum weiterhin bei mageren 0,2 Prozent.

Zündung oder Verpuffung

Ich bin überzeugt davon, dass die Notenbank die entscheidenden Geschütze bereitgestellt hat, um die gewünschte Wirkung zu erzielen und damit die selbst geschürte, hohe Erwartungshaltung der Marktteilnehmer zu befriedigen. Aber wehe, wenn die EZB nicht liefert! Das käme zwar in unserem Bild einer Verpuffung oder einem Rohrkrepierer gleich, aber wahrscheinlich würde es dann trotzdem knallen. Und zwar so richtig! Eine Verkaufswelle würde den Aktienmarkt kurzfristig erschüttern. Und was noch viel schlimmer wäre, die Glaubwürdigkeit der Notenbanker wäre ramponiert. Und das ist natürlich auch diesen erfahrenen und hoch gebildeten Entscheidern völlig klar. Insofern geht es aus meiner Sicht also nur noch um die Frage, welche konkreten Maßnahmen die weitere Zinssenkung begleiten werden. Eine Antwort auf diese Frage erhalten wir heute Nachmittag. Also sagen Sie alle Termine ab und gehen Sie schon mal in Position! Das wird ein historischer Tag!

Ihr Holger Scholze

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