Eine Frage der Zeit

Holger Scholze · Uhr (aktualisiert: Uhr)

DAX liebäugelt mit neuem Rekord
Die Konsolidierungsphase, welche der deutsche Aktienmarkt nach seinem Allzeithoch vom 21. Januar dieses Jahres eingeschlagen hatte, scheint sich nun langsam ihrem Ende zuzuneigen. Wie hier mehrfach beschrieben, habe ich mit neuen Rekorden des DAX zwar erst in der zweiten Jahreshälfte gerechnet, aber sollte dies früher passieren, werden sich die Bullen am Aktienmarkt nicht darüber beschweren. Und damit wäre das deutsche Börsenbarometer auf einem soliden Kurs, mein an dieser Stelle schon im Dezember 2013 ausgerufenes Jahresziel für 2014 von 11.000 Punkten anzupeilen. Aber wir wollen nicht übermütig werden. Zumal das gesamte Börsengeschehen gerade in Europa weiterhin durch die Ukraine-Krise überschattet wird. Hier müssen dringend diplomatische Lösungen gefunden werden!

Widerstand geknackt
Nachdem zu Beginn dieser Woche der hartnäckige Widerstand bei 9.630 Punkten geknackt werden konnte, muss nun erst einmal das Allzeithoch von 9.794 Zählern überwunden werden. Zwar war der DAX am Dienstag bis auf 13 Punkte herangerückt, aber die Kraft für einen nachhaltigen Durchbruch reichte noch nicht aus. Das ist aber kein Drama, sondern aus meiner Sicht lediglich eine Frage der Zeit.

Meilenstein 10.000
Und dann wäre natürlich die psychologisch wichtige Marke von 10.000 Punkten ein weiterer Meilenstein. Die Hausse läuft früher oder später weiter. Davon bin ich überzeugt. Und dafür gibt es mehrere Gründe. Einer der wichtigsten für mich ist die Stimmung auf dem Markt. Denn es herrschte gerade in den vergangenen Wochen eher Skepsis, ja teilweise sogar Angst vor einem Crash. Doch ein solcher kommt zumeist unerwartet - aus heiterem Himmel sozusagen - und nicht, wenn ihn unzählige Experten in Publikationen vorhersagen. Nein! Die Hausse stirbt in der Euphorie! Diese alte Börsenweisheit hat sich mehrfach bewiesen. Aber sind Sie euphorisch? Oder haben Sie das Gefühl, die Mehrheit der Marktteilnehmer würde vor lauter Erwartungsfreude ausflippen? Ich kann dies beim besten Willen nicht erkennen. Insofern ist das derzeit vorherrschende gesunde Misstrauen der Nährboden für weitere Aktienkursgewinne.

Treibsatz Liquidität
Der entscheidende Grund, warum sich Aktien demnächst wieder einer wachsenden Nachfrage erfreuen werden, ist jedoch die Liquidität. Denn die Geldflut der Notenbanken hält an. Die Europäische Zentralbank (EZB) steht sogar unmittelbar vor einer erneuten Ausweitung der ohnehin bereits ultralockeren Geldpolitik. Sie betrachtet die jüngste Euro-Aufwertung mit Sorge. Denn diese belastet die Exporteure und übt über sinkende Importpreise Druck auf das Preisniveau aus. Auch wenn die Inflationsrate im Euroraum im April wieder leicht auf 0,7 Prozent gestiegen ist, werden die Währungshüter der EZB ihren Verbalinterventionen nun doch sehr wahrscheinlich bald Taten folgen lassen. Denn von der Zielmarke von knapp zwei Prozent sind wir weit entfernt. Die Signale der EZB-Ratssitzung vor einer Woche in Brüssel waren unmissverständlich klar. Mit Sätzen wie „Die EZB bekräftigt ihre Erwartung, dass die Zinsen für eine längere Zeit auf dem aktuellen oder niedrigeren Niveau verharren werden“ oder „Der EZB-Rat ist einhellig dafür, unkonventionelle Instrumente im Rahmen seines Mandats zur Bekämpfung niedriger Inflation einzusetzen“ wurde Notenbankchef Mario Draghi ungewohnt deutlich! Natürlich wird er gemeinsam mit seinen Kollegen die aktuellen Wirtschaftsdaten genau verfolgen und nur dann handeln, wenn es erforderlich erscheint. Aber kann sich die Situation bis zur nächsten Sitzung im Juni so stark verändern? Das ist eher nicht zu erwarten, meine ich. Und was hatte Mario Draghi bei der Pressekonferenz ergänzend hinzugefügt: „Der EZB-Rat fühlt sich wohl damit, das nächste Mal zu agieren.“

Notenbank fährt wohl schwere Geschütze auf
Wir dürfen also fest davon ausgehen, dass derzeit ein ganzes Paket von Maßnahmen geschnürt wird, welches dann im Juni an den Start gehen soll. Dies bestätigte auch das EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny mit seiner Aussage: „Eine Zinssenkung allein wäre wahrscheinlich zu wenig, um die niedrige Inflation zu bekämpfen.“ Bei Bedarf will die Notenbank offenbar mit voller Wucht gegen die unwillkommene Euro-Stärke und die Gefahr einer Deflation vorgehen. Solchen Aussagen kann man aber auch entnehmen, dass eine Senkung des Leitzinses in der Euro-Zone von derzeit 0,25 auf ein neues Rekordtief so gut wie sicher ist. Darüber hinaus könnte es erstmals in der Geschichte der Währungsunion einen Strafzins für Banken geben - also einen negativen Zins für Einlagen der Banken bei der EZB. Auch andere, komplexe Werkzeuge sind denkbar, um den stockenden Kreditfluss wieder zum Laufen zu bringen. Denn die Banken sollen das viele Geld nicht zuletzt an kleine und mittelständische Firmen vor allem in den von der Krise besonders hart betroffenen Länden verleihen. Außerdem dürfte die EZB an Lösungen arbeiten, die das frische Geld in Form von Krediten von vornherein in die Wirtschaft fließen lassen. Es wäre nicht sinnvoll, wenn es bei den Banken verbliebe oder gar zum Kauf von Staatsanleihen missbraucht werden würde.

Große Spannung vor dem 5. Juni
Sollten die anstehenden Prognosen der EZB-Ökonomen es rechtfertigen, wird die Notenbank sehr wahrscheinlich konkrete Schritte folgen lassen. Die Entscheidung hierüber fällt auf der EZB-Ratssitzung am 5. Juni. Wir dürfen gespannt sein.

Ihr Holger Scholze

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