Trotz Rekorde an der Wall Street - Dax tritt auf der Stelle

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

An der Wall Street sind Anleger bester Dinge. In Frankfurt hingegen zeigen sich Dax-Anleger zurückhaltender. Dafür lohnt sich heute ein Blick nach London.

5,5 Prozent hat der Dax seit dem vergangenen Donnerstag zugelegt. Gestern war er sogar erstmals seit dem Brexit-Votum über die Marke von 10.000 gesprungen. Zwar konnte sich der deutsche Leitindex nicht im fünfstelligen Bereich festsetzen, zum Handelsschluss verblieb aber immer noch ein stattliches Plus von 1,3 Prozent auf 9964 Punkte.

Zur Wochenmitte jedoch verliert die Erholungsrally etwas an Schwung. Der Dax startete mit leichten Verlusten von 0,3 Prozent auf 9940 Punkten in den Mittwochshandel, arbeitete sich dann immerhin in die Gewinnzone vor. Charttechnisch orientierte Börsianer sehen den Dax mittlerweile nahe einer Widerstandzone. Bis zur viel beachteten 200-Tage-Linie etwas über 10.000 Punkten ist es nicht mehr weit. Auch der Höhenflug der Wall Street kann dem Index nicht den nötigen Antrieb verleihen.

In den USA hatte der Dow Jones Industrial gestern den höchsten Stand seiner Geschichte. Nach einem Anstieg bis auf 18.371,95 Punkte notierte der US-Leitindex am Ende 0,7 Prozent im Plus bei 18.348 Punkten. Neben der anhaltenden Hoffnung auf eine weiter lockere Geldpolitik der großen Notenbanken gab ein erfreulicher Start der US-Unternehmensberichtssaison den Kursen Auftrieb.

Die gute Stimmung in Europa und den USA hat am Mittwoch auch die asiatischen Aktienmärkte weiter angetrieben. Vor allem in Japan ging es anhaltend aufwärts und zwar zuletzt um ein gutes Prozent im Nikkei-225-Index . Hier hat die Hoffnung auf weitere geldpolitische Geschenke der Regierung die Sorgen um die Folgen des Brexit deutlich überlagert.

Machtübergabe und Machtkampf in London

Die Folgen des britischen EU-Referendums sind nicht aber nicht vollends aus dem Blickfeld der Börsianer geraten. Vielmehr scheint es so, als ob der überraschend schnelle Wechsel an der Spitze der Regierung in London zumindest für ein wenig Entspannung an den Finanzmärkten gesorgt hat. “Die meisten Investoren erhoffen sich Klarheit über den Fahrplan zum Austritt Großbritanniens aus der EU”, sagte Devisenexpertin Thu Lan Nguyen von der Commerzbank. Ihrer Einschätzung nach ist aber nach wie vor unklar, ob die künftige Premierministerin Theresa May wirklich die erhoffte Sicherheit über die Zukunft des Landes geben kann.

Die bisherige Innenministerin May wird heute die Nachfolge von Premierminister David Cameron antreten. Mit seinem Rückzug hatte der Konservative Cameron die Konsequenzen aus dem Volksentscheid vom 23. Juni gezogen, bei dem die Wähler gegen seine Empfehlung mehrheitlich für einen Austritt aus der EU stimmten.

Cameron leitete am Dienstag eine letzte Kabinettssitzung in seinem Amtssitz in der Downing Street und stellt sich am Mittwochmittag noch einer Fragerunde im Parlament. Danach wird er bei Königin Elizabeth II. seinen Rücktritt einreichen. Seiner Nachfolgerin May kommt die Aufgabe zu, mit der EU den Austritt ihres Landes auszuhandeln. Sie ist nach Margaret Thatcher die zweite Premierministerin in der britischen Geschichte.

Die britische Labour-Partei steuert indes auf eine Urwahl der Parteibasis um den Vorsitzenden-Posten zu. Das zeichnete sich am Dienstagabend nach einer Sitzung des Nationalen Exekutivkomitees der Partei ab. Der unter massiven Druck stehende Vorsitzende Jeremy Corbyn dürfte dabei der Abgeordneten Angela Eagle gegenüberstehen. Damit dürfte sich die schwere Krise der Partei noch über Wochen fortsetzen.

Konjunkturbericht der Fed

Neben den Wechsel an der Spitze der britischen Regierung steht heute noch ein anderer wichtiger Punkte auf der Agenda: Anleger warten mit Spannung auf den Konjunkturbericht der US-Notenbank Fed – das sogenannte Beige Book, das aber erst nach Handelsschluss in Europa veröffentlicht wird. Von ihm erhofften sie sich Hinweise auf Zeitpunkt und Tempo der geplanten US-Zinserhöhungen.

Ansonsten stehen heute von Konjunkturseite noch Zahlen zur europäischen Industrieproduktion für Mai auf dem Terminplan. Zudem wurden am Morgen bereits über die Verbraucherstimmung in Europa berichtet. Trotz Flüchtlingskrise, Terrorgefahr und drohendem Brexit hat sich die Stimmung der Verbraucher verbessert. Das Konsumklima in der EU stieg im zweiten Quartal um 4,1 Punkte auf 13,1 Zähler, wie das Marktforschungsunternehmen GfK mitteilte. Das ist der höchste Wert seit März 2008.

Fehlende A380-Nachfrage und drohender Korruptionsfall

Auf Seite der Einzelwerte dürfte es heute die Aktien von Airbus besonders hart treffen. Nachdem die Branchenmesse Farnborough Airshow bei London bislang ein Erfolg war, kam nun ein Stimmungsdämpfer. Der Flugzeugbauer strich die Produktion des weltgrößten Passagierjets A380 wegen ausbleibender Neubestellungen um mehr als die Hälfte zusammen.

Im Auge behalten sollten die Anleger auch Thyssenkrupp . Dem Industriekonzern droht laut einem “Handelsblatt”-Bericht Ärger durch einen Korruptionsfall. Mitarbeiter der Rüstungstochter Atlas Elektronik stünden demnach im Zusammenhang mit einem Geschäft mit der Türkei im Fokus von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bremen. An Atlas ist auch Airbus beteiligt.

OnVista/dpa-AFX/Reuters
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