Was für eine baldige EZB-Zinswende spricht

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Europäische Zentralbank hält an ihrer Politik des billigen Geldes fest. Doch mittlerweile deutet einiges auf eine nahende Zinswende im Euroraum hin

Billiggeld flutet weiter Europa. Seit März 2016 bereits liegt der Zinssatz im Euroraum bei null Prozent. Ein Jahr länger schon pumpen Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Notenbanken monatlich Milliarden in das Bankensystem, um die Konjunktur anzukurbeln und das niedrige Preisniveau anzuheben. Von diesem Kurs lassen sich Europas Währungshüter nicht abbringen. Der EZB-Rat bestätigte an diesem Donnerstag die lockere Geldpolitik.

Dennoch könnte 2017 das Jahr werden, in dem auch die Europäische Zentralbank die geldpolitische Wende einläutet. Drei Gründe sprechen für die allmähliche Abkehr von der Billigeld-Politik:

1. Die Deflation-Gefahr sinkt

Das Risiko einer Deflation scheint vorerst gebannt. In Deutschland und dem Euroraum haben vor allem anziehende Energiepreise die Teuerung zuletzt auf den höchsten Stand seit mehr als drei Jahren getrieben. Die Verbraucherpreise in Deutschland kletterten im Dezember um 1,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, im Euroraum waren es 1,1 Prozent.

EZB-Chef Dragi gab sich am Donnerstag zwar zurückhaltend. Es fehle an “Anzeichen” für einen überzeugenden Trend, dass die Inflation fundamental steige, so Draghi. Die Inflation ziehe derzeit vor allem wegen der Erholung bei den Energiepreisen an. Dennoch hat sich die Teuerungsrate mittlerweile deutlich von der gefürchteten Nulllinie entfernt.

Mit 1,1 Prozent ist die Zielrate der EZB zwar noch nicht ganz erreicht. Mittelfristig strebt die Zentralbank für den gesamten Euroraum eine Inflation von knapp unter 2,0 Prozent an. Sollte sich der Inflationstrend jedoch bestätigen und sich zugleich die Anzeichen für eine etwas stärkere Erholung der Weltwirtschaft verdichten, dürften auch im EZB-Rat Diskussionen über den weiteren geldpolitischen Kurs aufkommen.

2. Der Finanzmarkt wird wieder europäisch

Ihre Zinswende wird die EZB jedoch nicht allein von der Entwicklung der Inflation abhängig machen. Problematisch für die Währungshüter ist zudem die Fragmentierung des Finanzmarkts im Euroraum.

Der Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung folgte eine wachsende Verflechtung und Vereinheitlichung des europäischen Finanzmarktes. Über Jahre hinweg war eine Angleichung der finanziellen Rahmenbedingungen im Euroraum zu beobachten. Dieser Trend kehrte sich mit Ausbruch der Finanzkrise um.

Seit 2008 drifteten die nationalen Finanzmärkte wieder auseinander. Hohen Summen an Kapital flossen von krisengeschüttelten Peripheriestaaten des Euroraums in die Kernländer. Banken verringerten in hohem Tempo ihre grenzüberscheitenden Geschäfte. Sorgen um die Tragfähigkeit der Staatsschulden trieben die Zinsen für Staatsanleihen der Euroländer auseinander. Während die Refinanzierungskosten vor allem in den Staaten Südeuropas in die Höhe schossen, fielen die Zinsen in Deutschland kräftig.

Der Höhepunkt dieser Renationalisierung der Finanzmärkte war 2012 erreicht. Mit seiner berühmten „whatever it takes“- Rede brachte EZB-Präsident Draghi die Wende. Die Zentralbank werde „alles Notwendige tun“ („whatever it takes“), um den Euro zu erhalten, sagte Draghi. Das reichte, um das Auseinanderdriften der Finanzmärkte zu beenden. Seitdem ist ein erneutes Zusammenwachsen zu beobachten, wenn auch zaghaft.

3. Die USA machen Druck

Die eigentliche Triebkraft für eine Erhöhung der Leitzinsen im Euroraum jedoch ist die US-Geldpolitik. Die amerikanische Notenbank Fed hat ihre wirtschaftlichen Ziele nahezu erreicht. Mit Blick auf den Arbeitsmarkt haben mehrere US-Währungshüter bereits von Vollbeschäftigung gesprochen. Auch das Preisziel scheint erreicht. Mit 2,1 Prozent stieg die Inflationsrate in den USA jüngst in den Zielbereich der Federal Reserve. Fed-Chefin Janet Yellen geht daher davon aus, den US-Leitzins “ein paar Mal” pro Jahr anzuheben. Ende 2019 dürfte er bei drei Prozent angekommen sein, sagte Yellen.

Europa kann sich nicht dauerhaft gegen den Zinssog aus den USA stemmen. Bundesbank und Europäische Zentralbank sind den Zinsschritten der Fed in der Vergangenheit stets gefolgt. Im Durchschnitt zogen die Währungshüter in Deutschland oder dem Euroraum mit einer Verzögerung von etwa einem Jahr nach. Diesmal dauert es länger, doch wird sich die EZB nicht abkoppeln können.

Sollte die Europäische Zentralbank nicht bald nachziehen, droht ein freier Fall des Euro. Gegenüber dem US-Dollar hat die europäische Gemeinschaftswährung allein seit Mitte 2016 zehn Cent an Wert verloren. Weitere Zinserhöhungen in den USA dürften nicht nur den Dollar abermals stärken, sondern auch den Handlungsdruck auf die EZB erhöhen.

Donald Trump, der diesen Freitag als US-Präsident vereidigt wird, hat jüngst gegenüber dem „Wall Street Journal“ den Dollar-Kurs als „zu stark“ bezeichnet. Er verwies dabei insbesondere auf China und warf der chinesischen Führung vor, ihre Landeswährung Yuan künstlich niedrig zu halten. „Unsere Unternehmen können mit ihnen momentan nicht konkurrieren, weil unsere Währung zu stark ist. Und das bringt uns um“, zitierte ihn das „Wall Street Journal“.

Sollte der Dollar gegenüber dem Euro weiter anziehen, dürfte Trump jedoch wenige Hemmungen haben, auch den Europäern „Währungsmanipulation“ vorzuwerfen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Spätestens dann hätte die Diskussion um den geldpolitischen Kurs der EZB ganz neue Dimensionen erreicht.

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