Lufthansa will endlich mehr verdienen und kappt Jobs

- von Ilona Wissenbach und Joanna Plucinska
Frankfurt/München (Reuters) - Die Lufthansa will mit einem Stellenabbau in der Verwaltung, vielen neuen Flugzeugen und strafferen Prozessen bis 2030 den Gewinn steigern.
Bis Ende des Jahrzehnts sollen 4000 Arbeitsplätze in administrativen Bereichen wegfallen, und zwar überwiegend in Deutschland, erklärte die Lufthansa auf ihrem Kapitalmarkttag am Montag in München. Vorstandschef Carsten Spohr räumte ein, dass die Lufthansa finanziell schlechter abschneidet als die europäischen Konkurrenten Air France-KLM und IAG. Und das, obwohl sie mit einem Dutzend Airlines und fast 105.000 Beschäftigten die größte Airline-Gruppe Europas ist. "Wir liegen zurück", sagte er. Das habe externe wie interne Gründe. Doch nun glaubt das Management, die richtigen Strukturen gefunden zu haben, "um dieses Unternehmen auf die nächste Stufe zu heben."
Reuters hatte bereits vergangene Woche erfahren, dass außerhalb des direkten Flugbetriebs 20 Prozent der Jobs abgebaut werden sollen. Der MDax-Konzern setzte sich außerdem ein höheres Finanzziel: Die bereinigte Umsatzrendite soll zwischen 2028 und 2030 acht bis zehn Prozent erreichen und damit "die historischen Ergebnisse der Lufthansa Group übertreffen". Bisher verfolgte das Unternehmen acht Prozent, schaffte die Zielmarke wegen hoher Kosten und vieler Doppelstrukturen aber selten. Im vergangenen Jahr waren es nur 4,4 Prozent, während die British-Airways-Mutter IAG fast 14 Prozent einflog. Daher dümpelt die Lufthansa-Aktie, während die Papiere der Briten im Steigflug sind.
KOSTENPROBLEM AM HEIMATMARKT
Die Arbeitsplätze sollen "möglichst" sozialverträglich abgebaut werden, wie Personalvorstand Michael Niggemann in einem firmeninternen Interview erklärte. Verschlanken will er in den Abteilungen Finanzen, Personal und IT. Digitalisierung und Automatisierung sollen Arbeitskräfte überflüssig machen. In Deutschland könnten 500 Stellen wegfallen, indem frei werdende Positionen etwa nach altersbedingten Abgängen nicht extern besetzt werden. Zum Teil sollen Aufgaben aus Deutschland in Länder mit niedrigeren Personalkosten verlagert werden. "Einige Leistungen werden künftig weniger oder auch gar nicht mehr in unseren Heimatmärkten erbracht werden", sagte Niggemann. Die Kosten spielten eine Rolle bei der Frage, internationale Standorte auszubauen. An diesen will die Lufthansa bis 2030 circa 1500 Arbeitskräfte einstellen. Die Restrukturierung kostet einmalig 400 Millionen Euro und soll eine jährliche Kostensenkung von 300 Millionen Euro bringen.
Die Gewerkschaft Verdi kritisierte den Stellenabbau. "Einen Kahlschlag am Lufthansa-Boden zu Lasten der Beschäftigten nehmen wir nicht hin", sagte Verhandlungsführer Marvin Reschinsky. Verdi appellierte auch an die Politik. Hohe Steuern und Abgaben sowie schärfere europäische Umweltstandards bedrohten die Existenz der Lufthansa. Die Politik sei mitverantwortlich für deren Schwäche. "Sie vernichtet lokale Arbeitsplätze."
Verdis nächste Tarifrunde steht erst 2026 an. Im Tarifstreit mit der Pilotengewerkschaft VC über die Altersversorgung steht der Lufthansa womöglich der nächste Streik schon ins Haus. Eine Urabstimmung dazu endet am Dienstag.
GÜNSTIGE AIRLINES WACHSEN
Die umfangreiche Flottenerneuerung und Zukunftsprogramme wie "Turnaround" bei der zurzeit defizitären Kernmarke Lufthansa Airlines sollen den auch nach Umsatz größten europäischen Luftfahrtkonzern (2024: 37,6 Milliarden Euro) stärken und profitabler machen. "Schon heute liefern diese Erneuerungen greifbare positive Effekte", hieß es dazu, ohne dass eine Summe genannt wurde. Die Kernmarken-Gruppe soll bis 2028 brutto 2,5 Milliarden Euro mehr Ergebnis im Jahr erwirtschaften, wie zum Start des Programms vor rund einem Jahr angekündigt wurde. Die Personalkosten sind dabei ein wichtiger Hebel. Gespräche mit den Gewerkschaften UFO, Vereinigung Cockpit (VC) und Verdi über tarifliche Zugeständnisse blieben ohne Ergebnis. Die neuen Töchter für Kurzstrecken- und Urlaubsflüge City und Discover Airlines, die bis zu 40 Prozent günstiger als die Kernmarke mit dem Kranich arbeiten, sollen stärker wachsen. Die Premium-Airline Lufthansa "Classic" könnte schrumpfen, wenn die Beschäftigten in Cockpit und Kabine nicht beim Sparen mitziehen, heißt es im Unternehmen. Niggemann wies darauf hin, dass die größte Airline des Konzerns im ersten Halbjahr 274 Millionen Euro Miese gemacht hätte. "Das ist dramatisch!", sagte er. Die Kernmarke brauche dringend Geld für Investitionen.
Um sein Gewinnziel zu erreichen, will der Konzern die Zusammenarbeit seiner zahlreichen Fluggesellschaften enger verzahnen und Synergien heben. Planung und Vertrieb der Netzwerk-Airlines Lufthansa, Swiss, Austrian Airlines, Brussels Airlines und der kürzlich übernommenen ITA Airways sollen auf Europa-Strecken stärker zentral gesteuert werden. Ein weiteres Element des Fitnessprogramms ist die größte Flottenmodernisierung in der Lufthansa-Geschichte. Bis 2030 erwartet die Gruppe mehr als 230 neue Flugzeuge, davon 100 für die Langstrecke - Betriebs- und Wartungskosten sinken damit.
(Bericht von Ilona Wissenbach, redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)