EZB: 750 Milliarden Euro nicht genug? – packt die Europäische Zentralbank noch einmal 500 Euro Milliarden oben drauf?

onvista · Uhr

„What ever it takes“ – dieser Satz von Mario Draghi ist aktuell auch der Leitfaden für das Vorgehen seiner Nachfolgerin Christine Lagarde. Die relativ neue Chefin der EZB hat das Ruder in einer schwierigen Phase übernommen und muss das europäische Konjunktur-Schiff wieder unter Volldampf bringen. Dafür wurde schon das  EZB-Notprogramm PEPP mit ein Volumen von 750 Milliarden Euro aufgelegt.

Summe dürfte allerdings nicht reichen

Das Hilfsprogramm läuft derzeit bis zum Jahresende. Volkswirte halten es für möglich, dass die EZB das Volumen des Programms bald erhöht und es zeitlich ausweitet, weil die bislang veranschlagte Summe von 750 Milliarden Euro beim jetzigen Kauftempo im Herbst bereits ausgeschöpft wäre. Daher wird spekuliert das Christine Lagarde bereits am morgigen Donnerstag, wenn der EZB-Rat zu seiner regelmäßigen Sitzung zusammenkommt, noch ein nettes Sümmchen oben drauf packt. Im Gespräch sind weitere 500 Milliarden Euro.

Frankreichs Notenbankchef hat den Stein ins Rollen gebracht

Francois Villeroy de Galhau hat bereits in der vergangenen Woche eine zusätzliche Lockerung der Geldpolitik in der Eurozone ins Spiel gebracht. Angesichts der niedrigen Inflation gebe es Spielraum, schnell und kraftvoll zu reagieren, sagte der Chef der französischen Notenbank. Höchstwahrscheinlich werde die Europäische Zentralbank (EZB) noch weiter gehen müssen als jetzt schon.

Zudem sprach sich  de Galhau auch dafür aus, die Wertpapierkäufe noch flexibler auszugestalten. Das Festhalten an den Kapitalschlüsseln zur Aufteilung der Käufe auf die Euroländer wäre seiner Auffassung nach eine „unangebrachte Einschränkung“, die die Wirksamkeit der Anleihenkäufe verringern würde. Änderungen in der Zinspolitik sieht der Franzose dagegen aktuell nicht als erforderlich an.

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EZB ist bereits von Kapitalschlüsseln abgewichen

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Wertpapierkäufe unter ihrem Corona-Notprogramm PEPP relativ stark auf italienische Anleihen konzentriert. Wie aus Angaben der Notenbank vom Dienstag hervorgeht, wurden bis Ende Mai deutlich mehr Staatsanleihen Italiens gekauft, als nach dem Anteil des Landes am Eigenkapital der EZB (Kapitalschlüssel) eigentlich angemessen wäre. Allerdings hat die EZB bereits klargestellt, dass sie angesichts der Schwere der Corona-Krise von dieser Richtschnur zeitweise abweichen will.

Insgesamt hat die EZB über PEPP bis Ende Mai Wertpapiere für 234,7 Milliarden Euro gekauft, davon öffentliche Anleihen im Wert von 186,6 Milliarden Euro. Der Restbetrag verteilt sich auf Commercial Paper, Unternehmensanleihen und besicherte Bankanleihen (Covered Bonds). An Staatsanleihen hat die Notenbank die größten absoluten Beträge in deutsche Bundesanleihen investiert, gefolgt von italienischen, französischen und spanischen Staatsanleihen.

Relativ, also gemessen am Kapitalschlüssel, ergibt sich jedoch ein deutliches Übergewicht für italienische Papiere und ein deutliches Untergewicht für französische Staatsanleihen. Deutsche Bundesanleihen wurden ebenso wie spanische Anleihen etwas mehr gekauft, als es der Kapitalschlüssel eigentlich nahelegt. Dieser berechnet sich nach Wirtschaftsgröße und Größe der Bevölkerung.

Der Grund für das große Engagement der EZB in Italien dürfte daran liegen, dass das Land besonders stark von der Corona-Krise heimgesucht wurde. Mit den Anleihekäufen kann die EZB die Refinanzierungskosten der Länder niedrig halten und somit weiteren wirtschaftlichen Schaden abhalten. Viele Euroländer werden sich aufgrund der Corona-Krise stark verschulden, um Unternehmen und Verbraucher vor Illiquidität und Insolvenz zu bewahren.

Von Markus Weingran / dpa-AFX

Foto: nitpicker/Shutterstock.com

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