Kleinanleger VS Hedgefonds: Alle Gamestop-Beteiligten müssen sich heute dem US-Kongress stellen – Experte macht derweil klar: „System war dem Zusammenbruch nahe“

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Mittlerweile hat sich der Staub auf dem Schlachtfeld rund um die Gamestop-Aktie größtenteils gelegt. Die extreme Volatilität, die den Wert in den letzten Wochen als Spielball zwischen Kleinanlegern und Hedgefonds heimgesucht hat, ist abgeklungen. Eine Horde von Retail-Investoren, die sich auf der Reddit-Plattform im Subforum „Wallstreetbets“ zusammengetan haben, hatte den Preis der Aktie zwischenzeitlich über die Marke von 500 Dollar gejagt, indem sie durch ihre Käufe einen Short Squeeze bei der extrem leerverkauften Aktie ausgelöst hatten. Infolgedessen haben Hedgefonds wie Melvin Capital Milliarden an Verlusten erlitten. Mittlerweile hat sich der Wert der Aktie wieder bei etwa 50 Dollar eingependelt.

Das Geschehnis hatte eine solche Tragweite, dass auf der ganzen Welt darüber berichtet wurde und zwischenzeitig hatte die Aktie das größte Handelsvolumen weltweit auf sich vereinigt, da nicht nur amerikanische Kleininvestoren, sondern Anleger aus aller Welt sich der Bewegung angeschlossen hatten - mit dem Ziel, den Hedgefonds die auf die Pleite von Gamestop mit aggressiven Leerverkäufen gewettet haben, enorme Verluste beizubringen. Der Vorfall hat solche Ausmaße angenommen, dass viele Experten gar systemische Risiken befürchtet hatten.

„System war dem Zusammenbruch nahe“

So auch Thomas Peterffy, Gründer und Vorsitzender der Interactive Brokers Group, der jüngst in verschiedenen US-Medien seine Einschätzung abgegeben hat und skizziert, wie nah an den Kollaps die Finanzmärkte durch den Krieg der Kleinanleger und Hedgefonds tatsächlich gekommen sind. „Ich möchte darauf hinweisen, dass wir dem Zusammenbruch des gesamten Systems gefährlich nahe gekommen sind, und die Öffentlichkeit, einschließlich des Kongresses und der Regulierungsbehörden, scheint sich dessen überhaupt nicht bewusst zu sein“, so der Experte.

Er geht dabei auf die Verbindung der Broker wie beispielsweise Robinhood und den Clearingstellen wie Citadel ein. Während die Broker die Trades der Kleinanleger verarbeiten und weiterreichen sind es die Clearingstellen, die den Handel tatsächlich abwickeln und den Märkten die Liquidität zur Verfügung stellen. Genau bei dieser Schnittstelle ist es im Falle des Ringens um GME zu enormen Verwerfungen gekommen. Dadurch, dass die Kleinanleger den Preis immer weiter in die Höhe getrieben haben und dies sich durch den aufgekommenen Short Squeeze noch weiter verstärkt hatte, ist es auf Seiten der Broker zu erhöhten Sicherheitsanforderungen gekommen, die von den Clearingstellen angefordert wurden. „Wenn der Preis so sehr steigt, dass die Shorts bei den Brokern in Verzug geraten, müssen sich die Broker jetzt selbst versichern, und das erhöht den Preis weiter, so dass die Broker in der Clearingstelle in Verzug geraten und Sie am Ende ein komplettes Durcheinander haben. Es ist praktisch unmöglich, das zu klären. Das ist fast passiert.“

Das Kernproblem lag im Fall von GME auch darin, dass mehr Aktien geshortet waren, als überhaupt am Markt zur Verfügung standen. Dies ist möglich, indem Aktien mehrfach für Leerverkäufe verliehen werden. Im Fall von Gamestop haben sehr viele Marktakteure auf eine Pleite gewettet, da das Geschäftsmodell nicht mehr zeitgemäß ist.

Das letztendliche Kaufverbot für Gamestop-Aktien, das von Robinhood ausgerufen wurde, diente laut Aussage des CEO Vlad Tenev dazu, genau diesen Schmelzpunkt zu verhindern. Robinhood hatte sich aufgrund der gestiegenen Sicherheitsanforderungen zusätzliches Kapital in Höhe von mehr als 3 Milliarden Dollar besorgen müssen, um nicht zusammenzubrechen. Wäre der Handel weitergegangen, hätte sich der Bedarf entsprechend weiter in die Höhe geschraubt.

Beteiligte müssen vor US-Kongress aussagen

Auch die US-Regierung hat sich in den Vorfall eingeschaltet und untersucht nun die Vorkommnisse. Am heutigen Donnerstag müssen Vertreter aller involvierten Parteien vor dem US-Kongress in Washington Aussagen machen. Dazu gehören der Robinhood-CEO Vlad Tenev, Gabriel Plotkin, CEO von Melvin Capital, Steve Huffman, CEO von Reddit, Kenneth Griffin von Citadel und Keith Gill, auch bekannt unter seinem Youtuber-Namen Roaring Kitty oder seinem Reddit-Namen DeepF*ckingValue, der als einer der Sprachrohre der Reddit-Community galt und zwischenzeitig Gewinne im mehrstelligen Millionenbereich durch den Handel mit Gamestop-Aktien gehalten hat und diese innerhalb des Forums öffentlich präsentiert hatte.

Die US-Regierung will die Vorfälle genau untersuchen, um mögliche Marktmanipulation aufzudecken und besser auf ähnliche Vorfälle in der Zukunft vorbereitet zu sein. Es geht unter anderem darum, ob Robinhood Druck von Kapitalgebern und Clearingstellen erhalten hat, die Käufe von GME-Aktien zu blockieren und dies nicht nur aus finanziellen Engpässen heraus getan hat. „Ich möchte gleich zu Beginn klarstellen: Jede Behauptung, dass Robinhood zum Nachteil unserer Kunden Hedgefonds oder andere besondere Interessen unterstützt hat, ist absolut falsch und eine marktverzerrende Rhetorik“, so die Aussage von Tenev zu diesen Vorwürfen.

Jedoch wird auch den Reddit-Beteiligten auf die Finger geschaut, darunter dem Reddit-CEO aber vor allem auch dem öffentlichen Gesicht der Wallstreetbets-Bewegung, Keith Gill. Auch in seinem Fall wird eine mögliche Marktmanipulation untersucht. „Meine Investition in GameStop und meine Beiträge in den sozialen Medien waren ganz meine eigenen“, sagte Gill. „Ich habe niemanden gebeten, die Aktie zu meinem eigenen Vorteil zu kaufen oder zu verkaufen. Ich gehörte keiner Gruppe an, die versuchte, Bewegungen im Aktienkurs zu erzeugen. Ich hatte nie eine finanzielle Beziehung zu einem Hedgefonds“, so die Aussage des Youtubers. Es wird ebenfalls dem Verdacht nachgegangen, ob Bots in den Foren aktiv waren, um bestimmte Investment-Aktivitäten in die eine oder andere Richtung zu verstärken. Dazu wird sich der Reddit-CEO Steve Huffman äußern müssen.

onvista-Redaktion

Titelfoto: Bern James / Shutterstock.com

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