May-Day, May-Day – britische Premierministerin schwer in Not

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)
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Die Medien auf der Insel rechnen damit, dass Theresa May bei der heutigen Abstimmung im Unterhaus mehr als 100 Stimmen aus dem eigenen Lager fehlen könnten. Zudem werden wohl die DUP und die Oppositionsparteien geschlossen gegen Mays Deal stimmen. Damit dürfte die britische Premierministerin bei der Abstimmung über das Brexit-Abkommen am Dienstagabend auf eine historische Niederlage zusteuern.

Nächste Abstimmung folgt sogleich

Labour-Chef Jeremy Corbyn kündigte im Fall einer Niederlage Mays ein Misstrauensvotum gegen die britische Premierministerin an. Dem Antrag werden zwar nicht viele Chancen eingeräumt, allerdings ist im britischen Unterhaus aktuell nichts ausgeschlossen. Zudem würden Neuwahlen in Großbritannien das Brexit-Chaos wohl perfekt machen.

Premierministerin hat alles versucht

Noch am Montag hatte May versucht, die Abgeordneten mit einem leidenschaftlichen Appell umzustimmen. Nur die Zustimmung zu dem mit der EU ausgehandelten Austrittsabkommen könne einen ungeordneten EU-Austritt oder eine Abkehr vom Brexit verhindern, warnte May. „Geben Sie diesem Deal eine zweite Chance“, rief sie den Abgeordneten zu. Dieser Wunsch dürfte nicht erhört werden. Zu verhärtet sind die Fronten im britischen Unterhaus.

Nach einer fünftägigen Debatte im Unterhaus soll frühestens heute um 20.00 Uhr abgestimmt werden. Die Abgeordneten haben noch die Möglichkeit, die Beschlussvorlage der Regierung vor dem Votum abzuändern. Vier Änderungsanträge wurden zur Abstimmung zugelassen. Trotzdem wird erwartet, dass im Unterhaus vorerst kein Konsens für den ausgehandelten Vertrag gefunden wird.

Plant die Premierministerin neue Verhandlungen?

Erwartet wird, dass May nach einer Niederlage erneut versuchen könnte, der EU Zugeständnisse abzuringen, um ein zweites Mal über den Deal abstimmen zu lassen. Diesem Plan wird aber heute schon reihenweise eine Absage erteilt.

Bundesregierung sieht wenig Spielraum

Bundesaußenminister Heiko Maas erwartet für den Fall einer Ablehnung des Vertrages keine weiteren bedeutenden Zugeständnisse der Europäischen Union. Er sei skeptisch, „dass das Abkommen grundsätzlich noch einmal aufgeschnürt werden kann“. Zwar würden nach einer Ablehnung des Abkommens im Unterhaus sicherlich noch einmal Gespräche geführt, sagte Maas in Straßburg. „Aber dass dort gänzlich neue Lösungen auf den Tisch gelegt werden, die mit dem, was bisher verhandelt und auch beschlossen worden ist, nichts mehr zu tun haben, daran glaube ich nicht.“ Er betonte jedoch: „Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass es zu einem positiven Votum kommt, weil es ein Votum der Vernunft wäre.“

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Angela Merkel hat nichts versprochen

Die Bundesregierung wies am Dienstag einen Bericht der britischen Zeitung „The Sun“ zurück, nach dem Bundeskanzlerin Angela Merkel May Hilfe über die bisherigen Zusagen der EU hinaus zugesichert habe. Der Inhalt eines Telefongesprächs Merkels mit May werde von der Zeitung falsch wiedergegeben, erklärte ein Regierungssprecher in Berlin. Die Zeitung hatte berichtet, dass May nach einer Hilfszusage Merkels neue Hoffnung habe, doch noch ein Brexit-Abkommen in einer zweiten Abstimmung durch das Unterhaus zu bringen.

„EU hat sich nichts vorzuwerfen“

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz verteidigte heute erneut die Haltung Brüssels im Brexit-Streit. „Die EU hat sich bei diesen Verhandlungen mit Großbritannien nichts vorzuwerfen“, sagte Kurz im Europaparlament. Ähnlich argumentierte der Grünen-Spitzenkandidat für die Europawahl, Sven Giegold: „Wer der EU zu viel Härte in den Verhandlungen vorwirft, muss auch präzise sagen, was am Abkommen nicht fair sein soll“, sagte Giegold der Deutschen Presse-Agentur.

Welche Optionen bleiben noch?

(1) Misstrauens Antrag geht durch - Neuwahlen

Für die Märkte wäre das sicherlich eine unangenehme Situation. Sollte die Labour-Partei eine neue Regierung stellen, würde die Unsicherheit weiter hoch bleiben, da sie sich noch nicht klar zu ihren Plänen geäußert hat. Es wird aber angenommen, dass die Partei wohl lieber in der Zoll-Union bleiben würde. Sollte sich dieser Weg dann herauskristallisieren, dann würde das die Aktien-Märkte sicherlich antreiben.

(2) Erneutes Referendum

Die britische Premierministerin könnte noch einmal abstimmen lassen, ob das Vereinte Königreich in der EU bleiben möchte oder nicht. Laut einigen Umfragen könnte sich mittlerweile eine Mehrheit der Briten für einen Verbleib in der EU aussprechen. Allerdings wird die Zahl der Befürworter auf gerade einmal 51 Prozent geschätzt. Eine Abstimmung wäre somit wieder eine ganz knappe Angelegenheit. Sollte sie aber positiv ausgehen, würden die Märkte dieses Ergebnis sicherlich mit überschwänglichen Kursgewinnen feiern.

(3) Harter Brexit

Ein Szenario, dass sich alle Beteiligten nicht wünschen. Ein ungeregelter Austritt Großbritanniens aus der EU würde nicht nur wirtschaftlich schwere Folgen haben. Er würde die Aktien-Märkte in Angst und Schrecken versetzen, da immer noch nicht abzuschätzen ist, was dann alles auf die Wirtschaft zukommt. Die Bank of England rechnet zum Beispiel damit, dass das Pfund in diesem Fall um 25 Prozent abwerten könnte.

(4) Entscheidung wird verschoben

Auch wenn Theresa May gebetsmühlenartig betont, dass Großbritannien am 29. März die EU verlassenen wird, glaubt aktuell wohl keiner so recht daran. Vielmehr rechnen die Märkte aktuell damit, dass Großbritannien zu einem späteren Zeitpunkt die EU verlässt und zwar geregelt.

Die Möglichkeit, dass Theresa May heute die Abstimmung gewinnt, gibt es natürlich auch noch. Diese riesengroße Überraschung würde sicherlich für ein großes Fest an den europäischen Aktienmärkten sorgen. Allerdings stehen die Chancen dafür wirklich schlecht.

Von Markus Weingran

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Bild: A.Basler / Shutterstock.com

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