Habeck kündigt neue China-Handelspolitik an - "Lassen uns nicht erpressen"

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- von Christian Krämer

Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung wird in der Handelspolitik künftig einen schärferen Kurs gegen China fahren.

Das kündigte Vize-Kanzler Robert Habeck am Dienstag in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters an. China sei ein willkommener Handelspartner. "Aber wenn es Staatsprotektionismus gibt, dann muss er mit Gegenmaßnahmen bekämpft werden. Wir können uns nicht erpressen lassen." Der Grünen-Politiker sagte zudem, dass er zu einem Nein für den Einstieg der chinesischen Großreederei Cosco in den Hamburger Hafen "tendiere". Kanzler Olaf Scholz (SPD) warnte vor einer Deglobalisierung.

Reuters hatte vergangene Woche berichtet, dass die Ampel-Regierung ihre Unterstützung für deutsche Unternehmen bei Geschäften in China auf den Prüfstand stellt, es aber unterschiedliche Positionen in der Koalition gibt. Das Wirtschaftsministerium überlege etwa, die staatlichen Investitions- und Exportgarantien für in China tätige Firmen zu kippen, sagten mehrere mit den Vorgängen vertraute Personen. Zudem solle die staatliche Förderbank KfW prüfen, ob sie ihre Kreditlinien für das China-Geschäft deutscher Firmen nicht zurückfahren und diese im Gegenzug für Aktivitäten in anderen asiatischen Ländern wie Indonesien ausbauen könne.

Wirtschaftsminister Habeck sagte nun, die neue Strategie stehe unter dem Motto, nicht mehr naiv zu sein. Es dürfe keine Wettbewerbsverzerrungen für chinesische Firmen mehr geben oder Erpressungen westlicher Konzerne. Das werde sich in der China-Strategie widerspiegeln, die die Bundesregierung gerade ausarbeite und zu der das Wirtschaftsministerium seinen Beitrag bereits weitgehend geleistet habe.

Deutschland soll Habeck zufolge wehrhafter agieren. "Auch Investitionen von China nach Europa sollen deutlich kritischer angeguckt werden." Die Volksrepublik wolle im Rahmen der sogenannten Seidenstraßen-Initiative strategische Infrastruktur in Europa aufkaufen und so Einfluss nehmen. "Das sollten wir nicht zulassen." Als Beispiel nannte der Grünen-Politiker die Einstiegspläne des chinesischen Reederei-Riesens Cosco bei einem Container-Terminal in Hamburg. "Ich tendiere in die Richtung, dass wir das nicht erlauben." Der Container-Hafen Tollerort sei zwar nur kleiner Teil vom Gesamthafen, aber China könnte dann Einfluss auf den Handel nehmen. Der Vorstand der Hafen Hamburg Marketing, Axel Mattern, hatte dagegen betont, dass es nur um den Einstieg in eine Betreibergesellschaft gehe. "Eine Absage an die Chinesen wäre eine Katastrophe nicht nur für den Hafen, sondern für Deutschland", warnte er.

HANDELSPOLITIK ALS MACHTINSTRUMENT

Die Fiktion von einer geeinten Welt mit einem gemeinsamen Handel sei am Ende, sagte Habeck vor den Beratungen der sieben führenden Industrienationen (G7) am Mittwoch und Donnerstag in Brandenburg. "Wir müssen die Handelspolitik auch als neues Machtinstrument begreifen, auch als Solidaritätsinstrument begreifen." Gleichzeitig dürfe es aber auch keine Blockbildung geben. Auch die USA sollten nicht zu protektionistisch gegen China sein: "Es gibt bestimmte Standards, die gelten für alle, die gelten auch für China", so Habeck.

Auch die Grünen-Spitzenkandidatin für die Niedersachsen-Wahl, Julia Hamburg, hatte im Reuters-Interview angekündigt, dass sie im Falle einer Regierungsbeteiligung im VW-Aufsichtsrat dafür sorgen wolle, dass Menschenrechte im China-Geschäft des Konzerns eine größere Rolle spielten.

Wirtschaftsminister Habeck äußerte sich zurückhaltend positiv zur Rolle Chinas gegenüber Russland. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine Ende Februar sei das russisch-chinesische Handelsvolumen zwar gestiegen. Das gehe aber vor allem auf Energie zurück, China sei nicht bei hochwertigen Gütern eingesprungen. China spiele eine Zwischenrolle, sei nicht auf Seite des Westens. "Aber sie unterstützen Russland noch nicht mit voller Kraft." China brauche schließlich auch die Handelsbeziehungen mit Europa.

Habeck ergänzte, Abhängigkeiten von China gebe es vor allem bei Rohstoffen, etwa für Batterien oder Halbleiter. Dies sei nicht so schnell zu ersetzen: "Wir arbeiten daran." Außerdem sei die deutsche Exportindustrie stark abhängig vom chinesischen Absatzmarkt. "Würde der, was nicht zu befürchten steht, aber natürlich in einer Zeit wie dieser mitgedacht werden muss, würde der sich verschließen, hätte wir extreme Absatzprobleme. Auch da muss diversifiziert werden." Neue Handelspartner und Regionen müssten entsprechend erschlossen werden.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich für eine Diversifizierung der deutschen Industrie aus - warnte aber zugleich vor einer Entflechtung der Weltwirtschaft. Die Idee der Deglobalisierung, also der Rückzug von bestimmten Märkten, gefährde die Grundlage und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, sagte Scholz am Dienstag auf dem Arbeitgebertag in Berlin. "Deshalb wende ich mich gegen alle diejenigen, die jetzt die Idee der Deglobalisierung nach vorne stellen. Wir werden das nicht tun."

(Mitarbeit von Andreas Rinke; redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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