EU regelt Patente neu nach Streit von Tech- und Autokonzernen

Reuters · Uhr

Brüssel/Frankfurt (Reuters) - Kostspieliger Patentstreit zwischen Technikkonzernen und Autobauern soll mit neuen Regeln in der Europäischen Union (EU) künftig vermieden werden.

Nach dem am Donnerstag vorgelegten Verordnungsentwurf der EU-Kommission sollen standardessentielle Patente (SEP) künftig beim Europäischen Amt für geistiges Eigentum (EUIPO) angemeldet werden. Bei der Markenrechts-Behörde im spanischen Alicante werden im Streitfall Lizenzgebühren zwischen Patentinhaber und -nutzer ausgehandelt. Hintergrund sind viele Rechtsstreitigkeiten zwischen Anbietern von Kommunikationstechnik und der Autoindustrie, bei denen es um viel Geld geht. Für innovative kleine und mittlere Unternehmen ist der rechtliche Wust nach Ansicht der EU-Kommission ein Bremsklotz. Der Rahmen für SEP werde nun transparenter und mittelstandsfreundlicher, erklärte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton.

SEP sind Patente zum Schutz von Technologien, die für Normen erforderlich sind wie etwa der Mobilfunkstandard 5G oder die Datenübermittlungstechnik WLAN und Bluetooth. Die Technik wird zur Vernetzung von Autos und vielen anderen Produkten gebraucht, ihr Einsatz wird immer wichtiger. SEP-Urheber sind wegen ihrer Marktmacht als Standardsetzer dazu verpflichtet, ihre Technik zu fairen Bedingungen zu lizenzieren. Gestritten wurde über die Höhe der Lizenzgebühren und darüber, ob Patente überhaupt standardessentiell sind. Denn die Patentinhaber definierten dies selbst, gebührenfrei und ohne amtliche Prüfung. So stecken in den Mobilfunkstandards GSM, 3G und UMTS mehr als 23.500 SEP - nach Vermutung der EU übertrieben viele.

Die EU-Kommission will mit der Verordnung Klarheit schaffen, damit der Patentwildwuchs die Entwicklung vernetzter Produkte und Dienste nicht behindert. Selbstregulierung habe sich als unwirksam erwiesen, erklärte die Kommission. Da eine amtliche Prüfung sämtlicher Patente zu aufwendig ist, soll die EUIPO nur ausgewählte SEP unter die Lupe nehmen. In Datenbanken sollen die Rechteinhaber ihre Gebühren festhalten. Sie können von Nutzern angefochten werden, es folgt dann ein außergerichtliches Vermittlungsverfahren von maximal neun Monaten Dauer.

Der Telekommunikationsausrüster Nokia zum Beispiel verdient mit SEP rund 40 Prozent seines Gewinns. Nokia prozessierte mit Daimler, heute Mercedes-Benz, bis die Unternehmen 2021 einen außergerichtlichen Vergleich schlossen. Mercedes-Rechtschefin Renata Jungo Brüngger begrüßte den Vorschlag der Kommission als fairen Rahmen zur Lizenzierung von SEP. "Der Entwurf bringt deutlich mehr Transparenz und mehr Ausgewogenheit bei Lizenzverhandlungen", erklärte sie. Nokia kritisierte den Gesetzesplan, der Reuters vorab vorgelegen hatte. Dieser bedeute für die Rechteinhaber einseitig zusätzliche Pflichten, Belastungen und Kosten, sagte die Leiterin für Urheberrechtspolitik, Collette Rawnsley, am Dienstag. Nokia befürchte, dass die Nutzer mit Hilfe des Streitbeilegungsverfahrens Zahlungen hinauszögern könnten.

(Bericht von Foo Yun Chee, Ilona Wissenbach, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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